Heldenlüge
Als die Masse im vergangenen Frühjahr mit Geschichten wie jener in Angst und Panik versetzt wurde, dass bald jeder jemanden kennen werde, der an Corona gestorben ist, haben sie sich nicht versteckt. Sie haben sich vielmehr einem größerem Infektionsrisiko ausgesetzt, um das Allernötigste zu gewährleisten: Krankenpflegerinnen, Kindergartenpädagoginnen und Verkäuferinnen, um nur drei Gruppen von vielen zu nennen. Wobei die weibliche Form kein Zufall ist: Es handelt sich um klassische Frauenberufe.
Zurecht sind sie, aber natürlich auch ihre männlichen Kollegen, als Heldinnen und Helden gefeiert worden. Ehrlich war es nicht. Die Heldinnen und Helden werden grottenschlecht bezahlt. Krankenpflegerinnen verdienen im Mittel 1690 Euro netto pro Monat, Kindergartenpädagoginnen 1470 und Verkäuferinnen 995 Euro. Gut, diese Werte beziehen sich auf Vorkrisenzeiten. Verbesserungen sind jedoch nicht in Sicht. Es gibt eher nur einen warmen Händedruck (bzw. einen einmaligen „Bonus“ von ein paar hundert Euro) und für jene, die in Sozial- und Gesundheitsbereichen tätig sind, die Aussicht auf eine Nulllohnrunde.
Das ist ein Skandal. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und mehr noch Vertreter der für Kinderbetreuung, Pflege und Krankenanstalten zuständigen Länder, also etwa Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), sind gefordert. Wobei man es sich viel zu einfach machen würde, zu verlangen, dass sie mehr Geld locker machen sollen. Man muss sich schon auch der Frage stellen, woher es kommen soll.
Es ist nicht selbstverständlich, dass die Heldinnen und Helden beim nächsten Mal wieder alles riskieren.
Offene Debatte
Das ist eine der großen Fragen, die seltsamerweise tabu sind: Staatseinnahmen brechen ein, Staatsausgaben explodieren. Mittelfristig muss wieder eine gewisse Balance hergestellt werden. Das zwingt zu einer offenen Debatte, am besten im Rahmen eines transparenten Prozesses in einer „Task Force“, einem Konvent oder was auch immer: Wollen wir wirklich weniger Steuern zahlen? Dann bleibt es bei diesen fürchterlichen Löhnen und einem allmählich weiter sinkenden Pensionsniveau. Zu glauben, dass Einsparungen in der Bürokratie genügend bringen könnten, ist jedenfalls ebenso naiv wie die Hoffnung, dass im Übrigen ein üppiges Wirtschaftswachstum alles richten werde. Europa ist ausgewachsen.
Also: Wem gebührt was? Wer ist bereit, durch Verzicht oder höhere Steuern wie viel beizutragen? Was ist vernünftig, was vertretbar? Das gehört diskutiert. Und zwar dringend: Heldinnen und Helden weiterhin schäbig zu behandeln, könnte verhängnisvoll sein. Es ist nicht selbstverständlich, dass sie bei der nächsten Infektionswelle wieder alles riskieren und so unverzichtbare Dienste leisten.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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