„Ich wollte sie nur ein bisschen stechen“

67-jähriger Pensionist wegen Mordversuchs an seiner Frau zu 16 Jahren Haft verurteilt.
FELDKIRCH Im Juni 2019 wurde das Einsatzkommando Cobra nach Lauterach gerufen. Was die Polizisten in den frühen Morgenstunden vorfanden, sorgte für Verwirrung. Eine blutüberströmte Frau hatte sich zu einer Nachbarin geflüchtet. Der serbische Ehemann der Verletzten lag in der eigenen Wohnung im Ehebett, ebenfalls schwer verletzt und um sein Leben ringend. Bald kristallisierte sich heraus, was in der Eigentumswohnung des Paares passiert war.
Unauffälliges Paar
Die beiden waren als nettes Ehepaar bekannt, sie gingen regelmäßig gemeinsam spazieren. Der heute 67-Jährige redete nicht viel, die gut aussehende 58-Jährige war dafür umso freundlicher und aufgeschlossener. Seit knapp 40 Jahren sind sie verheiratet und haben zwei Kinder. Die Noch-Ehefrau räumt als Zeugin vor Gericht ein, dass er schon immer ein wenig eifersüchtig war und sie hin und wieder beschimpfte. In den letzten zehn Jahren habe sie bei ihrem Gatten allerdings nach einer Erkrankung und zwei leichten Schlaganfällen eine Wesensveränderung festgestellt. Er sei zunehmend mürrisch und noch eifersüchtiger geworden. Zudem habe er sich zurückgezogen, wenig gesprochen und sie sogar einmal mit einer Pistole erschreckt.
Früher hatte der Mann ein Alkoholproblem, ansonsten kann Gerichtspsychiater Reinhard Haller nichts besonders Auffälliges feststellen. Eines steht fest: Es lag keine Unzurechnungsfähigkeit vor.
Unkooperativ
Dies festzustellen war nicht einfach, denn der Rentner zeigte sich höchst unkooperativ. „Entweder er stellte sich schlafend oder er weigerte sich einfach, mit uns oder auch seinem Verteidiger zu reden“, erzählt Haller von diesem Grenzfall. „Auch essen wollte der Patient nicht, er ist so schwach, dass er kaum stehen kann. Dass der Mann psychisch nicht „gesund“ ist, steht fest, „aber eine so schwere Störung, dass er den Unrechtsgehalt seiner Tat nicht erkennen kann, liegt nicht vor“, versichert Haller. Eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher kommt somit nicht infrage. Der Mann sagte vor Gericht, dass er sich nicht im Geringsten schuldig fühle. Er habe seine Frau mit dem Messer nur ein bisschen erschrecken und ein bisschen stechen wollen, und zwar, weil die Ehe nicht mehr funktioniert habe.
Verletzungen mit Rätseln
Die Ehefrau wurde zunächst aus dem Nichts heraus in ihrem Bett attackiert. Sie schlief fest, als ihr plötzlich am Hals warm wurde. „Es war mein Blut“ erinnert sie sich. Der Mann hatte ihr mit einem Messer zwei Mal in den Hals gestochen. Sie kann ihm das Messer entreißen und es kommt zu einem Kampf um Leben und Tod.
„Selbstbeibringung“
Dabei hat die Frau ihren Kontrahenten zwei Mal leicht am Rücken verletzt. „Abwehrverletzungen liegen bei dem Mann keine vor“, so Gerichtsmediziner Walter Rabl. Dennoch hat der Rentner schwere, tiefe, parallel verlaufende Schnitte im Hals und am Körper. Laut Gutachter typisch für Selbstbeibringung. Diese Verletzungen überlebte der Mann nur knapp. Die Frau erlitt schwere Verletzungen an Händen und Armen. Sie versuchte verzweifelt, das Messer von sich abzuhalten. Der kleine Finger der rechten Hand musste nach Komplikationen zum Teil amputiert werden, der Ringfinger wird für immer steif bleiben. Zahlreiche Sehnen wurden durchtrennt. Im Zeugenstand gibt die anmutige, gefasst scheinende Frau an, was in jener Nacht passierte. „Meine Mandantin hat heute noch Alpträume“, erklärt Opferanwältin Eva Müller. 10.000 Euro Entschädigung werden ihr zugesprochen. Die Geschworenen werten die Tat als Mordversuch und verhängen 16 Jahre Haft.
Auch für die Justizanstalt wird dieser Insasse eine Herausforderung. „Der Mann gehört auf eine Krankenstation“, stellte Haller fest. Der Angeklagte muss gestützt werden und es ist fraglich, wie er die 16 Jahre übersteht. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.