Das Verordnungsdrama um Corona

Rechtliche Regelungen können manchmal schon recht verwirrend sein. Wenn sie aber selbst von denjenigen, die sie erlassen haben, nicht verstanden werden, wird es problematisch. Die Betretungsverbote, die im Rahmen der Coronakrise verhängt wurden, hatten den Charakter einer allgemeinen Ausgangssperre. Dass der Innenminister noch Tage zuvor beteuert hatte, es werde keine solche geben, ist angesichts der Komplikationen, die darauf folgten, nur eine Randnotiz. Die Bundesregierung ließ bekannterweise Inserate, TV- und Radiospots schalten, in denen sie darauf hinwies, dass man nur aus bestimmten Gründen das Haus verlassen dürfe. Dann kam man bei den zuständigen Stellen jedoch langsam darauf, dass das Gesetz solche Maßnahmen wohl nicht hergeben würde. Es erlaubte nämlich nur, das Betreten „bestimmter“ und nicht aller Orte zu verbieten. Es bestanden auch Zweifel, ob die Verordnung des Gesundheitsministers, auf der die Betretungsverbote unmittelbar beruhten, überhaupt ein Verbot von Besuchen bei Freunden und Verwandten vorsehe.
Man versuchte daher mit dem Ostererlass das Betreten fremder Privatwohnungen – wovon man schon bisher behauptet hatte, dass es verboten sei – nun auch wirklich zu verbieten. Der Aufschrei war groß, der Erlass wurde zurückgezogen, das Gesundheitsministerium aber schwieg über die Folgen. Erst drei Tage, bevor eine neue Verordnung erlassen wurde, teilte das Ressort lapidar mit, dass Privatbesuche nie verboten gewesen wären und man das auch so kommuniziert habe. Dies, so hieß es in der Aussendung, sei eine „Konkretisierung“. Tatsächlich hatte man eine vollkommene Kehrtwende in der Interpretation der eigenen Verordnung vollzogen.
Das alles wäre für österreichische Verhältnisse noch halbwegs normal, wäre nicht am Ende auch noch der Verfassungsgerichtshof auf den Plan getreten, um noch einmal alles umzuwerfen. Die Richter entschieden, dass die Verordnung sehr wohl ein allgemeines Ausgangsverbot enthalten habe und widersprachen damit der letzten Rechtsansicht des Gesundheitsministeriums. Die Verordnung habe zwar Ausnahmen vorgesehen, allerdings ermächtige das Gesetz den Minister eben nur dazu, das Betreten bestimmter Orte zu untersagen und nicht aller. Die entsprechenden Bestimmungen der Verordnung seien daher gesetzwidrig gewesen. Besonders peinlich für das grüne Ministerium war die Feststellung des Gerichtshofes, dass eine entscheidende Novelle der Verordnung auf Basis eines Pressebriefings für die Bundesregierung entstanden war. Daraus ging nicht hervor, warum ausgerechnet Bau- und Gartenmärkte vor anderen Geschäften hatten öffnen dürfen. Eine Pressekonferenz reichte den Richtern naturgemäß nicht als Grundlage für eine Verordnung.
Moritz Moser stammt aus Feldkirch, lebt und arbeitet als Journalist in Wien. Twitter: @moser_at