Hanno Loewy

Kommentar

Hanno Loewy

Koste es was es wolle!

Vorarlberg / 06.08.2020 • 06:30 Uhr

Die Frage ist nur: wen. Dieser Kommentar ist, ganz gegen meine Vorlieben, leider gänzlich humorfrei. Als die österreichische Bundesregierung im März im Zeichen von Corona das einzig Richtige tat, nämlich Arbeitsplätze so gut es ging durch großzügige Finanzierung von Kurzarbeit zu schützen und Hilfen in Aussicht zu stellen, um die Stimmung vor einem Abgleiten in Panik zu bewahren, da dachte man allenthalben, dass Kanzler Kurz nach der FPÖ nun auch noch die SPÖ überflüssig machen würde.

Inzwischen ist eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Von den versprochenen „Notstandshilfen“ sind zwei Drittel an private Haushalte mit besonders hohen Einkommen ausgezahlt worden. Finanzminister Blümel sagt dazu: „Die Menschen die fleißig sind und arbeiten gehen, (sollen) auch mehr von dem Erarbeiteten haben.“

„Vizekanzler Koglers kurzes Aufmucken in Sachen Erbschaftssteuer ist da schon wieder vergessen.“

Die Kurzarbeit hingegen wird länger und länger. Und die Zahl der Arbeitslosen wird steigen. Dafür gibt es Almosen von 450,- €, wenn man Glück hat. Die ÖVP hält Arbeitslose auch in Coronazeiten offenbar für Menschen, die einfach nicht fleißig genug sind. Aus der ÖVP, aber auch von Neos, Industriellenvereinigung und Agenda Austria hört man stattdessen schon wieder die Forderung, das Arbeitslosengeld zu senken. Langzeitarbeitslose, so wird uns da vorgerechnet, würden in Österreich mehr bekommen als anderswo. Das ist freilich gut geflunkert. Denn dazu muss man dann schon auch mitrechnen, welche Sozialleistungen andere Länder zusätzlich bezahlen. Da sieht es in Österreich deutlich schlechter aus als zum Beispiel in Deutschland. Kurzzeitarbeitslose hingegen stehen von Beginn an in Österreich schlechter da als in vergleichbar wohlhabenden Ländern.

Vizekanzler Koglers kurzes Aufmucken in Sachen Erbschaftssteuer ist da schon wieder vergessen. Dabei sind auch hier die trockenen Daten jenseits von ideologischen Nebelgranaten unmissverständlich: 1 % der Bevölkerung hält 40% des Nettovermögens im Land. Den „ärmsten“ 50 % (also der Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher) gehören 2,5 %. Und diese Ungleichverteilung des Wohlstands setzt sich in jeder Generation fort und verschärft sich jedes Jahr. Um daran etwas zu ändern, müssen nicht die Häuslebauer um ihr schwer erworbenes Heim gebracht werden und auch nicht die Hoteliers, sondern jene Menschen ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen, die ihre berufliche Laufbahn mit einem millionenschweren Startkapital beginnen, ohne jemals irgendetwas „geleistet“ zu haben. Das hat mit „Sozialismus“ nichts zu tun. Das ist in den meisten wohlhabenden, kapitalistischen Ländern Europas durchaus selbstverständlich. Eine Initiative von 80 Superreichen in aller Welt fordert inzwischen übrigens: „Tax us!“ (Besteuert uns!“). Österreicher sind freilich nicht darunter.

Hanno Loewy ist Direktor des ­Jüdischen Museums in Hohenems.