Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

„Reißt euch zusammen!“

Vorarlberg / 20.08.2020 • 17:59 Uhr

Mit dieser drastischen Aufforderung reagierte Gesundheitsminister Anschober auf die immer größere Zahl von Corona-Fällen vor allem bei jungen Männern im Partyalter. In den sozialen Medien wurde ein solcher Sprachgebrauch eines Bundesministers im Umgang mit Bürgern als unangemessen kritisiert. Natürlich kann man hinterfragen, welcher Ton zwischen Politikern und Bürgern angeschlagen werden darf. Ich persönlich halte es durchaus für verkraftbar, wenn junge Leute gelegentlich aufgefordert werden, sich im Interesse der Allgemeinheit ein bisschen zusammenzureißen.

„Schließlich gab es keine Präzedenzfälle, an denen man sich hätte orientieren können.“


Es wäre allerdings auch wünschenswert, wenn der Minister dieselbe Aufforderung an die Beamten seines Hauses richten würde. Während die Ministeriumsbediensteten während der ersten Wochen der Pandemie durchaus Großes geleistet haben (wie auch die Mitarbeiter in den Gesundheitsbehörden der Länder und Gemeinden, in den Spitälern und Pflegeheimen oder in der Polizei), haben sich in der letzten Zeit die Fehlleistungen gehäuft. Das zeigt sich vor allem an der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Verordnung über die Ausgangsbeschränkungen.
Dabei ist dem Ministerium nicht vorzuwerfen, dass die unter enormem Zeitdruck ausgearbeiteten Regelungen handwerklich mangelhaft waren. Schließlich gab es keine Präzedenzfälle, an denen man sich hätte orientieren können. Kritischer ist, dass während vieler Wochen, als zunehmend klar wurde, dass die Regelungen repariert werden müssen, zugewartet wurde, bis nunmehr eine Entscheidung des VfGH vorliegt, die zum Handeln zwingt.
Mittlerweile liegt ein Entwurf eines Gesetzes vor, das die rechtlichen Grundlagen der Ausgangsbeschränkungen auf eine neue Basis stellen soll. Leider ist auch dieser Entwurf keine Glanzleistung. Es fängt bereits bei den Erläuterungen an, die geradezu minimalistisch sind. Haben die Legisten tatsächlich so wenig Zeit, den Inhalt ihrer Regelungen zu verdeutlichen oder wollen sie nicht?

Vor allem gibt es auch inhaltliche Schwächen: Das Gesetz soll nunmehr so formuliert werden, dass es auch jene weiträumigen Ausgangsbeschränkungen erlaubt, die der VfGH aufgehoben hat. Die geplante Regelung bewegt sich jedoch an der absoluten Untergrenze dessen, was der VfGH – möglicherweise – akzeptieren wird. Warum nicht gleich eine mit Sicherheit verfassungskonforme Lösung anstreben? Ein anderes Beispiel: Der Entwurf verwendet den Begriff des „öffentlichen Ortes“, ohne ihn zu definieren, was wiederum eine Fülle von Unklarheiten mit sich bringen wird. „Reißt euch zusammen!“ wäre daher auch ein gutes Motto für die Ministerialbeamten.

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.