Desorientierung
Die Bundesregierung beschäftigt eine große Zahl an Kommunikationsexperten, die ihrerseits damit beschäftigt sind, den Bundeskanzler und die Bundesminister ins richtige Licht zu rücken und einprägsame Begriffe oder „Sager“ zu erfinden, die unser Verhalten bestimmen sollen. „Babyelefant“ zum Beispiel, oder: „Das Virus kommt mit dem Auto.“
Zuweilen pflegen die Bundesminister eine sehr eigenwillige Kommunikation: Nachdem der Gesundheitsminister die jungen Menschen bereits aufgefordert hatte, sich „zusammenzureißen“, reagierte nunmehr Vizekanzler Kogler auf die Kritik des Linzer Bürgermeisters an der Farbe „Gelb“ für Linz und den fehlenden Rechtsgrundlagen der Corona-Ampelregelung: „Die Bundesregierung kann sich ja nicht davon abhalten lassen, notwendige Schritte zu setzen, nur weil es irgendwo desorientierte Bürgermeister gibt, die die Rechtslage nicht kennen.“ Den Verfassungsgerichtshof, der wesentliche Inhalte der Ausgangsbeschränkungen als gesetzwidrig erkannt hatte, bezeichnete Kogler als „Obermoralisierer“.
„Jede Verordnung, in der etwa für Linz, Innsbruck oder Bregenz eine Maskenpflicht angeordnet wird, kann vom Verfassungsgerichtshof geprüft werden.“
Man muss die Reaktion des Linzer Bürgermeisters auf eine Situationsbewertung, die auf der Empfehlung einer Expertenkommission beruht, nicht gutheißen. Es stimmt allerdings, dass die „Corona-Ampel“ rechtlich auf schwachen Beinen steht und es einiger Kunstgriffe bedarf, wenn sie umgesetzt werden soll. Wer darauf hinweist, ist jedenfalls nicht desorientiert die Rechtslage betreffend.
Dazu kommt, dass für Außenstehende noch immer unklar ist, wie eine Empfehlung der Expertenkommission konkret erstellt wird. Man weiß zwar, wer Mitglied der Kommission ist und welche Umstände berücksichtigt werden, man kennt jedoch nicht die Gewichtung der einzelnen Kriterien.
Selbst wenn die gesetzlichen Grundlagen der Ampelregelung (frühestens im Oktober!) geschaffen sein sollten: Jede Verordnung, in der etwa für Linz, Innsbruck oder Bregenz eine Maskenpflicht angeordnet wird, kann vom Verfassungsgerichtshof geprüft werden. Dann wird es nicht ausreichen, auf die „Empfehlung“ einer Expertenkommission zu verweisen, vielmehr wird spätestens dann transparent gemacht werden müssen, wie diese Empfehlung zustande gekommen ist und auf welchen Grundlagen sie beruhte.
Nicht gut orientiert über die Rechtslage scheint eher der Vizekanzler: Der Verfassungsgerichtshof ist nämlich keine moralische Instanz, sondern prüft seit genau 100 Jahren, ob Verfassung und Gesetze eingehalten wurden.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
Kommentar