Von einer Megacity in die Provinz

Vorarlberg / 17.09.2020 • 08:00 Uhr
Von einer Megacity in die Provinz
Familie Heim fühlt sich in St. Gallenkirch sehr wohl.

Familie Heim lebte in einer Zehn-Millionen-Stadt in China. Vor dreieinhalb Jahren übersiedelte sie in das 2200-Seelendorf St. Gallenkirch.

St. Gallenkirch Nach seiner Scheidung wollte Andreas Heim alles hinter sich lassen, auch die Heimat. Als dem Schlosser aus Nüziders zu Ohren kam, dass die Firma Getzner Werkstoffe Mitarbeiter für eine Produktionsstätte in China sucht, bewarb er sich mit Erfolg.

Im November 2007 reiste er an seinen neuen Arbeits- und Wohnort, in die westlich von Schanghai gelegene Zehn-Millionen-Stadt Suzhou. Die Metropole, die bekannt ist für ihre Kanäle, Brücken und klassischen Gärten, gefiel ihm auf Anhieb. „Bei der Ankunft hatte ich einen Wau-Effekt. Vorarlberg kam mir jetzt richtig verschlafen vor.“ Andreas lebte sich schnell ein in seiner neuen Heimat, denn auch die Arbeit als Schichtleiter und später als Qualitätsmanager machte ihm Spaß.

Gläubige Chinesin kennengelernt

Einige Monate nach seiner Ankunft in China lernte er in seiner Lieblingsbar Ai Ping Wu kennen, eine Chinesin, die in der Stadt einen Schönheitssalon betrieb. Die beiden wurden ein Paar, im Jahr 2010 schlossen sie in Vorarlberg den Bund fürs Leben. „Durch Ai Ping habe ich den Glauben entdeckt. Sie ist freie Christin. Gott bedeutet ihr sehr viel.“

Nach der Heirat zog Andreas mit seiner Frau und deren achtjährigem Sohn Peng zusammen. Der Salon seiner Liebsten lief gut. Ai Ping arbeitete die ganze Woche, von Montag bis Sonntag. Heims Arbeitgeber hingegen hatte mit Umsatzeinbußen zu kämpfen. „Die Geschäfte gingen nicht mehr so gut. 2017 war außer mir kein Europäer mehr in der Firma.“ Der Vorarlberger musste sich beruflich neu orientieren. Er bewarb sich mehrfach, aber ohne Erfolg. „Da dachte ich zum ersten Mal ernsthaft darüber nach, nach Hause zurückzukehren.“ Aber Andreas wusste, dass seine Frau nicht in Vorarlberg leben wollte. „Ihrem Empfinden nach gibt es hier zu viele Berge, zu wenig Menschen und zu viel Ruhe.“ Doch Ai Ping verschloss sich den Überlegungen ihres Mannes nicht gänzlich. Die tiefgläubige Frau übergab die Entscheidung Gott.

Während einer Autofahrt berührte Gott sie dermaßen, dass sie vor Freude und Dankbarkeit weinen musste. „Danach war ich bereit, das zu tun, was Gott will. Mein Herz war nun frei“, erzählt Ai Ping, wie es bei ihr zu einer Kehrtwende kam. Eine Woche später meldete sich bei der Unternehmerin eine Frau, die ihren Beauty-Salon kaufen wollte. Die Christin sah dies als Zeichen Gottes. Nun war sie bereit, mit ihrer Familie nach Österreich zu ziehen.

“Die Jahre in China waren ein Gewinn für mein Leben. Ich empfehle jedem Jugendlichen, ins Ausland zu gehen. Man wird viel offener.”

Andreas Heim, ehemaliger Auslandsösterreicher

Im März 2017 kehrten die Heims Suzhou den Rücken und übersiedelten ins beschauliche St. Gallenkirch. Das stellte alle drei vor neue Herausforderungen. Andreas musste sich einen neuen Job suchen. Ai Ping und ihr Sohn Peng mussten die fremde Sprache lernen. „Anfangs konnte ich allein nirgends hingehen, weil ich kein Deutsch verstand“, zeigt die Chinesin auf, dass der Neuanfang für sie sehr schwer war. Auch ihrem Mann fiel der Neustart nicht leicht, obwohl er schnell einen neuen Job fand. „Mir gingen das Stadtleben und das chinesische Essen ab.“

“Gott macht keine Fehler”

Mittlerweile schätzen die Heims aber die Vorteile, die der Umzug mit sich brachte: „Wir leben in einer ruhigen Umgebung, haben einen (Gemüse)Garten, bestes Wasser, eine gute Luft. Und unser Sohn kann eine weiterführende Schule besuchen.“ Deshalb bereuen weder Ai Ping noch Andreas die Übersiedlung. „Es war die richtige Entscheidung. Gott hat mich hierhergeführt. Er macht keine Fehler“, meint Ai Ping, die seit einigen Monaten in einem Kosmetikstudio arbeitet. Ihr Mann denkt oft an die Zeit in China zurück. „Diese zehn Jahre waren ein Gewinn für mein Leben. Ich empfehle jedem Jugendlichen, ins Ausland zu gehen. Man wird viel offener.“