Richter zu Mutter: „Vor Ihnen muss man die Gesellschaft schützen“

Vorarlbergerin (38) wegen räuberischen Diebstahls zu mehr als vier Jahren Haft verurteilt.
Feldkirch Schon allein der Anblick der Angeklagten macht es schwer, dieses unglaubliche Repertoire an Vorwürfen begreifen zu können. Klein, zierlich, unscheinbar, heftig schluchzend bei der Verhandlung und doch so unberechenbar wie rabiat zeigte sich die 38-jährige Unterländerin und Mutter in der Freiheit. Innerhalb nur eines Monats, es war im Sommer dieses Jahres, flogen während ihrer Diebestouren quer durch Vorarlberg buchstäblich die Fetzen.
Ständig ertappt
Da war ein Kleidergeschäft am Garnmarkt in Götzis. Vor den Augen der Angestellten steckte die Frau einen Pullover ein und ergriff die Flucht. Die Filialleiterin verfolgte und erwischte die Diebin. Die 38-Jährige schmetterte ihr die Drohung „Ich stech’ dir ein Messer in den Rücken!“ entgegen und schlug ihr mit den Fäusten ins Gesicht.
Zu ähnlichen Vorfällen kam es auch in anderen Gemeinden und verschiedenen Geschäften. Die 38-Jährige stahl Brillen, Filzstifte, Notizblöcke und anderes. Ständig auf frischer Tat ertappt, schlug und trat sie auf jene ein, die sie stellten und riss ihnen sogar die Haare aus. Die Palette der Verletzungen, die mehrere ihrer Opfer erlitten, reicht vom Oberschenkelhalsbruch einer 70-jährigen Frau über Beulen, Kratzer bis hin zu Prellungen und Hämatomen.
„Stand allein im Regen“
Gewiss, die Situation und Lebensbedingungen der Mutter einer 14-jährigen Tochter vor ihrer Verhaftung waren erdrückend schwer, ja mitleiderregend. Sie selber schildert es vor Richter Martin Mitteregger weinend und mit eigenen verzweifelten Worten: „Ich hatte Ärger mit meinem Freund, die Wohnung verloren, keine Beschäftigung, kein Geld, nichts anzuziehen und war alkohol- und drogenabhängig. Es ist mir einfach alles über den Kopf gewachsen! Die Sozialarbeiter sind abgesprungen, ich stand allein im Regen. Die Therapie hat einfach nicht gereicht.“
Letzteres kann selbst die Therapeutin der Angeklagten vor Gericht nicht anders kommentieren: „Sie war sehr schwierig. Und sie hat es einfach nicht geschafft, sich an die Behandlungsauflagen zu halten.“
Wenig Hoffnung
Richter Mitteregger zeigt deutliches Verständnis für die hoffnungslos erscheinende Lage der Angeklagten, macht ihr gegenüber jedoch klar: „Man ist für Sie von Pontius bis zu Pilatus gesprungen. Eben darum, weil man Sie nicht aufgeben wollte.“
Keine Geduld mehr
Der Schöffensenat verurteilt die 38-Jährige im Sinne der Anklage – unter anderem wegen räuberischen Diebstahls und gefährlicher Drohung – zu vier Jahren Gefängnis. Eine bedingt ausgesprochene Haftstrafe in der Dauer von vier Monaten und 15 Tagen wird widerrufen und der Strafe angerechnet. „Das Gericht hat die Geduld verloren. Es geht nicht nur um Ihren eigenen Schutz. Sondern vor Ihnen muss man auch die Gesellschaft schützen“, begründet der Richter eindringlich.
Die Verurteilte versteht die Entscheidung nicht. Sie hätte für sich selbst „höchstens sechs Monate“ vorgesehen, wie sie noch bemerkt. Die 38-Jährige erbittet sich drei Tage Bedenkzeit.