Zu hoher Preis
In der Rückschau wirkt es wie ein kleiner, trügerischer Lichtblick: Noch ganz benommen von den Eindrücken des Lockdowns beteuerte mehr als die Hälfte der befragten Österreicher im Juni, dass sie künftig auf unnötigen Konsum verzichten würden, der Umwelt zuliebe und überhaupt. Es schien, als hätten die Wochen der erzwungenen Bescheidenheit die Menschen regelrecht entwöhnt. Manche gingen sogar vermehrt in die Natur. Von der Couch auf die Wanderwege. Schnaufen statt kaufen.
Aber so verstaubte Begriffe wie Verzicht und Mäßigung schaffen es nicht auf die Shortlist zum Wort des Jahres. Sie wurden rasch überholt von der Freiheit, der von allen Seiten bedrohten, so unendlich kostbaren, individuellen Freiheit, die ins Wanken kommt, wenn wir beim Wirt unsere Adresse hinterlegen sollen; die mit Füßen getreten wird, wenn wir uns die Hände waschen sollen; die ihr Gesicht verliert, wenn wir Schutzmasken anlegen; die haltlos in Abgründe stürzt, wenn wir Distanz üben.
Diese Freiheit blickt wehmütig über die heuer so trennscharf gezogene Grenze zwischen dem Davor und dem Danach, denn sie will ihr altes Leben zurück. Um jeden Preis. Vor diesem Hintergrund erhält der Satz „Koste es, was es wolle“ eine düstere, fast endzeitliche Färbung.
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