Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Behörden-Bashing

Vorarlberg / 05.11.2020 • 18:44 Uhr

Zuletzt ist es schnell gegangen. Der Anstieg der Corona-Patienten in den Krankenhäusern einschließlich der Intensivstationen verlief so rapide, dass die Gefährlichkeit der Situation selbst hartgesottenen Corona-Kritikern dämmern musste. Ein Glück, dass das Parlament vor wenigen Wochen neue Rechtsgrundlagen geschaffen hatte, die es erlauben, einschneidende Ausgangsbeschränkungen zu verhängen, die soziale Kontakte und damit auch die Weiterverbreitung des Corona-Virus einbremsen sollen. Dass die SPÖ als größte Oppositionspartei nicht der Verlockung erlegen ist, aus populistischen Gründen dagegen zu sein, zeugt von Verantwortungsbewusstsein. Andere haben das nicht geschafft. Möglicherweise wollen sie bei der großen Masse der Unzufriedenen punkten.

Diesen Unzufriedenen gehen die jetzt verhängten Maßnahmen zu weit. Sie bestreiten zwar nicht die Existenz des Virus und müssen wohl oder übel auch glauben, dass sich die Spitalsbetten füllen, halten aber die Ausgangsbeschränkungen zwischen 20 Uhr und 6 Uhr trotzdem für unverhältnismäßig. Sie bezeichnen sie sogar als „Ausgangsperre“, um die Dramatik zu unterstreichen.

Anstatt die Notwendigkeit der Maßnahmen anzuerkennen, wird mit Schuldzuweisungen gearbeitet: Die Behörden hätten beim Contact-Tracing versagt, also beim Nachverfolgen von Infektionsketten. Die Maskenpflicht sei zu früh abgeschafft worden. Man habe die zweite Welle unterschätzt und zu spät reagiert.

Es ist ja das gute Recht eines jeden, im Nachhinein klüger zu sein. Aber die Unverfrorenheit, mit der dieselben Personen, die nicht früh genug zur „Normalität“ zurückkehren konnten, keine Reisewarnung und keine Vorsichtsmaßnahmen akzeptierten, jetzt Behörden-Bashing betreiben, ist beachtlich, wenngleich nicht unverständlich. Die Abwälzung von Verantwortung auf den Staat und seine Institutionen ist nämlich einfach und entlastet das eigene Gewissen.

Natürlich hat das Contact-Tracing nicht überall gleich gut funktioniert, natürlich stößt es bei immer größeren Fallzahlen an die Grenzen. Aber zu glauben, man könne z. B. eine beliebige Zahl von Arbeitslosen in kurzer Zeit auf detektivische Nachverfolgung im behördlichen Auftrag umschulen, zeugt von Ahnungslosigkeit. Hätten all jene, die jetzt die Behörden verantwortlich machen, selbst verantwortlich gehandelt, wäre die Situation eine andere.

„Die Abwälzung von Verantwortung auf den Staat und seine Institutionen ist nämlich einfach und entlastet das eigene Gewissen.“

Peter Bussjäger

peter.bussjaeger@vn.at

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.