S 18: Vision, Phantom und noch lange keine Realität

Die S 18 füllt Bücher und wurde zu einem gesellschaftlichen und politischen Sittenbild in unserem Land.
Bregenz Sie ist wieder in aller Munde, die S 18. Und jetzt, so meinen die obersten Straßenbauer, ist auch endgültig klar, welche Variante es werden wird und rechtlich nur werden kann: Die sogenannte CP, eine Ostumfahrung Lustenaus mit Querung des Rheins an der nördlichen Peripherie Lustenaus und dem Endpunkt St. Margrethen.
S 18. Dieses Kürzel war jahrzehntelang mehr die Bezeichnung eines Phantoms als einer Straße. Eine Buchstaben-Zahlen-Kombination, die einerseits den Wunsch vieler der 300.000 im Rheintal lebenden Menschen nach einer leistungsstarken Straßenverbindung mit großem Entlastungspotenzial zwischen österreichischer und Schweizer Autobahn zum Ausdruck bringt, andererseits zum Symbol erbitterten Widerstands gegen eben dieses Projekt wurde. Ein Blick in die Geschichte der S 18 offenbart eine polarisierende Kraft, die über Generationen wirkte und für Turbulenzen aller Art sorgte.
Schon Nazis wollten bauen
Der Straßenkampf hat Wahlen entschieden, Politikern Drohszenarien beschert, höchste Rechtsinstitutionen auf Trab gehalten, aktionistische Spektakel und Bürgerproteste hervorgerufen.
Die Absicht, im S 18-Territorium leistungsstarke Verkehrsverbindungen zwischen Österreich und der Schweiz zu schaffen, geht bis auf die Zeit des Nationalsozialismus zurück. „Die Nazis wollten im Norden Lustenaus einen riesigen Bahnhof mit zehn Gleisen schaffen – als Schaufenster und Umschlagplatz für Handel und Verkehr mit der Schweiz, aber auch mit dem Reich im Norden. Parallel dazu gab es Pläne für eine Straße“, weiß der renommierte Historiker Wolfgang Scheffknecht (61).
Zeit der Bürgerproteste
Mitte der 1960er-Jahre erwachten die Straßenpläne zu neuem Leben. Der Bau der Rheintalautobahn, die Zunahme des Verkehrs vor dem Hintergrund einer prosperierenden Wirtschaft auf beiden Seiten des Grenzflusses führte in Vorarlberg zur Idee der A 15 – einer vierspurigen Autobahn von Lauterach auf kürzester Strecke in die Schweiz.
Der Widerstand engagierter Bürger ließ nicht lange auf sich warten. „Es war die Zeit, als Bürgerproteste in Vorarlberg in Mode kamen“, erklärt Naturschützer Manfred Hagen (68), ein Verbindungsstraßengegner der ersten Stunde, den rebellischen Zeitgeist der Protestierer.
„Wir waren in einer Zeit, als Bürgerproteste auch in Vorarlberg in Mode kamen.“
Manfred Hagen, Naturschutzaktivist
Die Widerstandsbereitschaft wurde später durch aufkommende Naturschutzbewegungen in Österreich befeuert. Diese setzten sich gegen den Bau des Atomkraftwerks Zwentendorf und drohende Eingriffe in Aulandschaften an der Donau (Hainburg) erfolgreich zur Wehr.

Hainburg war 1984. Ein Jahr später erlebte der rebellische Geist der Rheintaler ein Revival. Ausgangspunkt: Im Landtag fiel die Entscheidung zur Entwicklung einer zweispurigen Verbindung zwischen der A 14 und der N 13 durchs Ried. Massive Proteste waren die Folge. „Die Straßengegner griffen zu drastischen Mitteln“, erinnert sich der damalige Verkehrslandesrat Günther Vetter (84, ÖVP) an die aufgewühlte Stimmung. Als Verfechter der S 18 sah sich der Politiker 1986 mit einer Besitzstörungsklage konfrontiert, weil er von Naturschützern im Ried angebrachte weiße Kreuze entfernen ließ. „Bei einer Veranstaltung in Höchst drohten mir die Gegner mit faulen Eiern und Tomaten. Polizeibeamte in Zivil mussten die Veranstaltung schützen.“ 1989 trat Vetter als Verkehrslandesrat zurück.
Es blieb politisch
Politischen Tribut forderte der Streit um die S 18 ein Jahr später in Lustenau. Bürgermeister Dieter Alge (80, FPÖ), S-18-Befürworter, verlor die absolute Mehrheit. Schuld daran war die Mobilisierung der aufkommenden Grünen-Bewegung gegen das Projekt. Alge trat 1993 zurück.
Es ging weiter Schlag auf Schlag. Trotz Tausender Einsprüche – bis 1994 waren es bereits knapp 5000 – wurde die Trasse 1997 von der Landesregierung verordnet und 2001 behördlich genehmigt. Das Ende der Proteste ließ sich nicht verordnen. Im Gegenteil: Gemeinsam mit der Ortsgemeinde Au, durch deren Boden die S 18 geführt hätte, und Naturschutzgruppen beiderseits des Rheins, leisteten auch Vorarlberger Kommunen erbitterten Widerstand. In Lustenau kam es im Jahre 2000 bei einer Gemeindevertretersitzung zu einem Eklat. Der FPÖ-Gemeindevertreter Dietmar Haller (57) brach mit der Linie seiner Fraktion und stimmte gegen die S 18. Er war damals auch einer Hetzkampagne durch Parteikollegen ausgesetzt. Haller wechselte bekanntlich später zur ÖVP, um vor einem knappen Jahr wieder zur FPÖ zurückzukehren.

Der Planungsprozess
2006 folgte der Hammer. Die Verordnete S-18-Trasse wurde vom österreichischen Verfassungsgerichtshof aus Naturschutzgründen gekippt. Bis heute kann das der damalige Landeshauptmann Herbert Sausgruber (74, ÖVP) nicht wirklich verstehen. „Die 200 Seiten starken Bescheide der Bezirkshauptmannschaften von Bregenz und Dornbirn gingen sowohl beim Europäischen Gerichtshof als auch beim österreichischen Verwaltungsgerichtshof durch – aber eben nicht beim Verfassungsgerichtshof. Das war natürlich für uns kein Erfolg“, vergisst Sausgruber die damaligen Ereignisse nie.
„Der Verfassungsgerichtshof war das einzige von drei Gerichten, das das Projekt stoppte.“
Herbert Sausgruber, Altlandeshauptmann
2008 startete schließlich das konsensorientierte Planungsverfahren Mobil im Rheintal, dessen Schlussdokument im Oktober 2011 verfasst wurde. Neun Jahre später hat sich die Asfinag auf die CP-Variante als einzig mögliche Variante für eine Entlastungsstraße festgelegt. Das Ende der Geschichte des Projekts ist damit noch lange nicht erreicht. Die S 18, respektive CP, bleibt auf nicht absehbare Zeit eine Unvollendete.
Geschichte der S 18
60er Jahre erste Pläne für Entlastungsstraße A 15
1985 Landtag beschließt Entwicklung einer zweispurigen Verbindung von A 14 zu N 13 (Schweiz)
1986 Massive Proteste von Naturschützern
1997 Landesregierung verordnet S 18i-Trasse
2001 behördliche Genehmigung derselben
2006 Verfassungsgerichtshof kippt S 18
2008 Beginn des konsensorientierten Planungsprozesses Mobil im Rheintal
2011 Schlussdokument von Mobil im Rheintal wird Landesregierung übergeben
2020 Asfinag empfiehlt Bau der CP-Variante, Ostumfahrung Lustenau