Verunsicherung, Wut und Nachdenklichkeit bei Touristikern

Vorarlberg / 06.01.2021 • 05:30 Uhr
Tourismus und Gastronomie sind von der Coronakrise besonders hart getroffen. Die Branche klagt über die Politik. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Tourismus und Gastronomie sind von der Coronakrise besonders hart getroffen. Die Branche klagt über die Politik. VN/Paulitsch

Hotellerie und Gastronomie sieht sich als Spielball von politischen Kleingeldwechslern.

Schwarzach “Für uns ist das eine Katastrophe.” Hotelier Ewald Netzer (74) vom Viersterne-Superior-Haus “Vitalquelle” in Schruns bringt seine Stimmungslage auf den Punkt. Er wettert gegen die Politik, und vor allem gegen die Opposition. “Die betreiben ihre Spielchen auf unserem Rücken. Es ist ihnen völlig egal, was für Folgen ihr Handeln hat. Wir wurden von der Ablehnung der geplanten Regelung mit dem Freitesten wieder einmal überrascht”, schimpft der Touristiker.

In normalen Jahren sind die Monate von Dezember bis März für die “Vitalquelle” die beste Umsatzzeit. Das Haus mit einer Kapazität von 90 Gästen ist in dieser Zeit nahezu durchgehend voll. “Jetzt liegen für Februar vielleicht zehn Buchungen vor. Die Gäste warten die aktuellen Entwicklungen ab. Verständlich. Wenn dann die Politik so agiert, wie sie es derzeit tut, wächst die Unsicherheit noch mehr.”

Jetzt liegen für Februar vielleicht zehn Buchungen vor. Die Gäste warten die aktuellen Entwicklungen ab.

Ewald Netzer, Inhaber Hotel “Vitalquelle”, Schruns

Ins gleiche Horn stößt Kollege Christoph Tschohl vom “Montafonerhof” in Tschagguns. Auch wenn Tschohl gefasster wirkt, sitzt der Frust tief. “Es ist für uns sehr unangenehm, und auch die Mitarbeiter wissen nicht, wie sie dran sind. Wir fahren bei uns jetzt nur noch auf Sicht.”

“Tödliches Gift”

“Die Politik benutzt unsere Branche als Spielball für parteipolitisches Geplänkel”, liegt Markus Kegele, Hotelier in Stuben und Vorarlberger Sprecher des Tourismus in der Freizeitwirtschaft, mit Netzer auf einer Linie. Kegele nimmt Bundes- und Landesregierung gleichermaßen aufs Korn. “Die Bundesregierung hat keine Alternativpläne, und die Landesregierung sieht schweigend zu.” Während andere Branchen finanzielle Verluste beklagen, werde dem Tourismus und der Freizeitwirtschaft durch einen Lockdown jede Existenzgrundlage entzogen. Es gehe jetzt um Planungssicherheit, das ständige Auf- und Zusperren “ist ein schleichendes und auf Dauer tödliches Gift. Wenn wir nicht gegensteuern werden wir über Jahrzehnte zurückgeworfen”, macht Kegele deutlich.

“Die Bundesregierung hat keine Alternativpläne und die Landesregierung sieht schweigend zu.”

Markus Kegele, Sprecher des Vorarlberger Tourismus

Lingg und die Selbstkritik

In Au im Bregenzerwald versucht Walter Lingg (62), Inhaber des Hotels “Krone” (36 Mitarbeiter, 120 Personen Gästekapazität) und früherer Tourismussprecher der ÖVP im Landtag, die Situation etwas differenzierter zu beurteilen. “Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Zahl der Infektionen nicht nur bei uns, sondern auch in den grenznahen Regionen zu hoch ist. Ich rechne unter den gegebenen Umständen mit einer längeren Zeit des Wartens, bis wir wieder einen geregelten Betrieb haben werden können”, beurteilt der Auer die derzeitige Situation nüchtern. Lingg fordert aufgrund der Coronaerfahrungen neue Zugänge für den Tourismus und gibt sich sogar selbstkritisch. “Vielleicht sind wir im Tourismus zu weit gegangen. Das führt uns womöglich die derzeitige Situation vor Augen. Man sieht wie bedeutungsvoll die Branche ist und was alles von ihr abhängt. Trotzdem darf sie nicht alles bestimmen. Wir müssen solidarisch sein.”

Vielleicht sind wir im Tourismus zu weit gegangen. Das führt uns womöglich die derzeitige Situation vor Augen.”

Walter Lingg, Inhaber des Hotel Krone in Au

Beim Hotel “Post” in Bezau mit seinen 60 Mitarbeitern und einer Gästekapazität von 130 Personen will man auf alle Fälle nicht vor dem 31. Jänner öffnen. “Wir nützen die Zeit, um unsere Dienstleistungen im Onlineverkauf von Wellness- und Erährungsprodukten zu forcieren”, hält sich Geschäftsführerin Stephanie Rist mit Kritik zurück.

Dramatische Arbeitslosigkeit

Dass die Tourismus-und Freizeitbranche von den Covid-Maßnahmen derzeit massiv getroffen wird, belegt Markus Kegele mit Zahlen. “Wir verzeichnen eine Steigerung der Arbeitslosenzahlen um 300,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wir alle, die vom Tourismus leben, brauchen endlich Planbarkeit und keine Dampfhammer-Maßnahmen”, untermauert er seine Forderungen an die Politik.