Aufmerksamkeiten
Wo hat man früher eigentlich hingestarrt, wenn einem fad war? „Jetzt starr nicht ständig auf dein Smartphone!“ – der Satz ist mir nicht erinnerlich. Das eigentlich Schlimme an diesem Aufruf zur Rückkehr ins gesellschaftliche Leben ist der Umstand, dass einem die Absenz gar nicht bewusst war. Man sitzt noch immer am Tisch und hat sich doch meilenweit entfernt.
Die Hände haben sich verselbständigt, die Augen fokussieren auf den kleinen Bildschirm, Finger wischen darüber. Das geht alles von alleine. Wie atmen.
Würde man ersticken, wenn man’s unterlässt? Weil plötzlich die Posts wegbleiben oder die E-Mails? Wohl kaum, höchstens an diesem bohrenden Gefühl, etwas verpasst zu haben. Die Wissenschaft nennt diese Beklemmung „fear of missing out“, Angst, etwas zu versäumen. Angst, am falschen Ort zu sein, während woanders die Post abgeht. Manche Menschen sind ja ihr Leben lang hin- und hergerissen, weil sich immer noch etwas Besseres finden könnte.
Zufrieden macht das nicht. Und es geht ja noch um etwas anderes. Peter Sloterdejk hat den berühmten Satz von Descartes „Ich denke, also bin ich“ angesichts der elektronischen Medien aktualisiert in „Man denkt an mich, also bin ich.“ Vielleicht treibt uns ja die Angst, in Vergessenheit zu geraten, vor das Mattscheibchen. Bis wir dann wieder zurückkehren in die analoge Welt, wo die Finger unseres Gesprächspartners schon ungeduldig auf die Tischplatte trommeln.
Thomas Matt
redaktion@vn.at
Kommentar