Lebenslang bleibt lebenslang

Vorarlberg / 17.03.2021 • 21:03 Uhr
Verurteilt am 22. Jänner 2020. VN/KH
Verurteilt am
22. Jänner 2020. VN/KH

Oberlandesgericht Innsbruck entscheidet: Soner Ö. muss lebenslang ins Gefängnis.

Innsbruck Es bleibt dabei. Nach dem Mord am Leiter der Sozialabteilung der Bezirkshauptmannschaft (BH) Dornbirn vor zwei Jahren muss Soner Ö. lebenslang hinter Gitter. Am Mittwoch behandelte das Oberlandesgericht Innsbruck die Berufung, es ging nur noch um die Strafhöhe. Der Vorsitzende Richter Ernst Werus gab der Berufung nicht statt. Damit ist das Urteil vom 22. Jänner 2020 rechtskräftig. Verteidiger Ludwig Weh gab nach dem Richterspruch bekannt, bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen.

Der 6. Februar 2019 erschütterte das ganze Land Land. Soner Ö., damals 34 Jahre alt, ersticht den leitenden BH-Mitarbeiter in dessen Büro. Die Tragweite der Tat reicht über einen normalen Mord hinaus: Das offene Amtshaus ist Geschichte. Wer ein Landesgebäude besucht, muss durch eine Schleuse mit Sicherheitspersonal. Politisch flammt die Diskussion um eine Präventivhaft wieder auf. Auch Menschenrechtsfragen werden diskutiert: Schließlich ist der türkische Staatsbürger Soner Ö. in Vorarlberg geboren und aufgewachsen. Nach 15 Vorstrafen musste er das Land verlassen und durfte nicht mehr einreisen. Dennoch betrat er Anfang 2019 österreichischen Boden und suchte um Asyl an. Dass Soner Ö. anschließend trotz Warnungen aus dem Landhaus nach Vorarlberg reisen konnte, entfacht eine Debatte um die Frage, ob ihn die Behörden nicht festhalten hätten können. Eine Tat mit vielen Nebensträngen also. Am Mittwoch fand der strafrechtliche Strang seinen Abschluss.

Rote Kapuze, beige Hose, ein langer voller Bart. So betritt Soner Ö. über zwei Jahre nach der Tat den „Saal Arlberg“ im OLG Innsbruck. Er setzt sich. Als erstes spricht sein Verteidiger Weh: „Die Tat bereuen wir sehr.“ Eine unglückliche Verkettung der Umstände hätte dazu geführt. Die Konstellation, dass Soner Ö. ausgerechnet jenem Mann an der BH begegnet, der ihn zehn Jahre zuvor als Fremdenpolizist gegenüberstand, sei unglücklich. Dazu käme die Situation in der Familie, psychische Probleme und der Suchtmittelmissbrauch. Soner Ö. sei nur eingeschränkt zurechnungsfähig gewesen. Die Milderungsgründe seien eindeutig. Nun spricht Oberstaatsanwalt Boris Kuznik: Die eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit sei bereits berücksichtigt. Die Tat sei heimtückisch und grausam. In seiner 20-jährigen Laufbahn habe er selten so eine Tat erlebt. Soner Ö. darf als Letzter etwas sagen. Er bereue die Tat. Er habe einen alten Vater und eine kranke Mutter, und dann habe man ihm wegen der Vorgeschichte die Grundversorgung vorenthalten.

Nach zehn Minuten ist die Verhandlung schon zu Ende, die Richter ziehen sich zurück. In der Pause bereitet der Verteidiger seinen Mandanten auf das Urteil vor. „Alles andere als eine Bestätigung wäre ein Wunder. Der öffentliche Druck ist zu groß.“ Seine Prognose stimmt: Nach einer kurzen Beratung erklärt Richter Werus: „Der Berufung wird nicht Folge gegeben.“ Die Heimtücke sei schon dadurch gegeben, dass Soner Ö. das Messer in den Unterlagen versteckte, bevor er auf sein Opfer losging. Grausam sei, dass er auch nach der tödlichen Verletzung noch weitermachte und das als Schmerzstiche bezeichnete. Deshalb bleibt es bei lebenslänglich.

Nun wurde die Berufung abgelehnt. VN/MIP
Nun wurde die Berufung abgelehnt. VN/MIP
Die Anteilnahme  nach der Tat am 6. Februar 2019 war im ganzen Land groß. VN/Hämmerle
Die Anteilnahme  nach der Tat am 6. Februar 2019 war im ganzen Land groß. VN/Hämmerle

Chronologie

1985 Soner Ö. wird in Bregenz geboren. Er bleibt türkischer Staatsbürger.

2008 Nach 15 Vorstrafen muss er das Land verlassen. Er bekommt ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot aufgebrummt und muss in die Türkei.

2009 Soner Ö. reist in Österreich ein und stellt einen Asylantrag. Er wird direkt in Verwahrung genommen, der Antrag wird abgelehnt. Soner Ö. muss wieder ausreisen. Diesmal mit einem unbefristeten Rückkehrverbot im Gepäck.

6. JÄNNER 2019 Soner Ö. meldet sich bei der Polizei in Höchst und sucht um Asyl an. Er muss nach Thalham.

23. JÄNNER 2019 Sein Asylansuchen wird geprüft. Er reist nach Vorarlberg und stellt einen Antrag auf Grundversorgung. Dort trifft er auf sein späteres Opfer, das er von früher kennt.

6. FEBRUAR 2019 Nach mehrmaligem Kontakt ersticht er den Leiter der Sozialabteilung. Kurz vor der Tat wird sein Ansuchen auf Grundversorgung genehmigt.

22. Jänner 2020 Soner Ö. wird wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

17. März 2021 Das Urteil ist rechtskräftig.