Der Kampf um direkte Demokratie

So möchte eine Initiative mehr direkte Demokratie.
Schwarzach Wer hat das letzte Wort? Das Volk oder die Politik? Diese Frage beschäftigt Demokratien schon lange. In Vorarlberg ist eine neue Diskussion darüber entbrannt, nachdem der Verfassungsgerichtshof die Gemeindebürger der Möglichkeit beraubte, Volksabstimmungen selbst herbeizuführen. Die Initiative „Volksabstimmen über Volksabstimmen“ will nun das Gegenteil: Sie möchte direkte Demokratie stärken und ein Gleichgewicht der Macht zwischen Volk und Politik, wie Initiator Christoph Aigner im VN-Interview erklärt. Die Politik müsse dem Volk mehr zutrauen.
Sie wünschen sich von Gemeinden, dass diese eine Volksabstimmung zum Landesgesetz beantragen. Wie weit sind Sie?
Wir haben am Dienstag ein Gespräch mit dem Gemeindeverband. Von Bürgermeistern ist zu hören, dass sie sich eine einheitliche Vorgangsweise bei der landesweiten Volksabstimmung wünschen. Das war bei der Resolution zum Thema an den Bundesgesetzgeber schon der Fall.
Glauben Sie, dass es diese einheitliche Vorgangsweise geben wird?
Wie der Gemeindeverband dazu steht, weiß ich nicht. Im Vorstand sitzen 22 Bürgermeister, da wird es Befürworter und Gegner geben. Wir würden diese Volksabstimmung gerne gemeinsam mit der Politik machen, auf Landes- oder auf Gemeindeebene. Allerdings: Wenn die Politik nicht willens ist, müssen wir es selbst machen.
Dann gehen Sie Unterschriften sammeln?
Die Landesverfassung sieht folgendes für eine landesweite Volksabstimmung vor: Zehn Gemeinden können sie beantragen, der Landtag kann eine Abstimmung beschließen oder es werden 10.000 Unterschriften gesammelt. Wir werden auf den Landtag zugehen, denn wir wollen vermeiden, dass es heißt: repräsentative Demokratie versus direkte Demokratie. Aber wenn es nicht anders geht, werden wir 10.000 Unterschriften sammeln.

Für eine Abstimmung braucht es vorher aber ein Gesetz dazu. Derzeit steht nicht fest, wann es beschlossen wird.
Der Landtagspräsident erklärte nach der VfGH-Entscheidung, dass man sich um eine rasche Reparatur der Landesgesetzgebung bemühe. Sie waren auch schnell. Am 3. Februar 2021 erfolgte der einstimmige Landtagsbeschluss, die Bundesregierung solle die Verfassung im Sinne der direkten Demokratie ändern. Am 5. Februar schickte die Landesregierung den Gesetzesentwurf in Begutachtung, mit dem das Initiativrecht gestrichen wird. Seitdem ist nichts weiter passiert.
Der Landtag steht einstimmig zum Initiativrecht. Im Bundesrat stimmten Vorarlbergs drei Abgeordnete dagegen. Wissen Sie, warum?
Sie sagen, sie sind überrumpelt worden und hätten den Antrag erst am Tag der Abstimmung gesehen. Es gibt ja durch die Parteien Lippenbekenntnisse zur direkten Demokratie. Aber wir stellen fest: je höher die politische Ebene, desto größer die Vorbehalte.
Hat die Politik Angst vor dem Volk?
Das ist eine sehr scharfe Formulierung. Das stärkste Instrument der Mitwirkung ist die Volksabstimmung, weil sie verbindlich ist. Es geht um die Teilung der Macht. Die Politik gibt damit die Entscheidungshoheit aus der Hand. In Ludesch haben wir das gesehen. Die Landesregierung wollte die Erweiterung, die Mehrheitsliste in Ludesch ebenfalls. Die Bevölkerung hat aber „Nein“ gesagt. Das ist zu akzeptieren.

Wie könnte eine echte Mitwirkung aussehen?
Die Formen der Teilhabe müssen gestärkt werden. Der Bürgerrat ist ein sehr guter Ansatz. Die Ergebnisse dürfen aber nicht in einer Schublade landen oder wieder umgearbeitet werden, sie könnten stattdessen einer landesweiten Volksabstimmung unterzogen werden. Dann würde auch ein stärkerer öffentlicher Diskurs stattfinden.
Also ein zweistufiges Verfahren?
Genau. Bürger arbeiten mittels Expertise ein Thema auf, es wird diskutiert und abgewogen. Daraus entsteht ein Vorschlag zur Abstimmung. Das wäre ein gutes zweistufiges Gesetzgebungsverfahren. Einen Bürgerrat kann man mit 1000 Unterschriften einberufen, das ist wirklich super. Nur danach muss man zeigen, dass man die Bürger wirklich ernst nimmt.
Fehlt das dem Bürgerrat noch?
Ich meine ja. Wenn man mit den Teilnehmern spricht, finden alle den Prozess super. Wenn es um die Umsetzung geht, stellt sich aber Ernüchterung ein. Überspitzt formuliert: Wenn ich den Leuten nicht vertraue, dann müsste man eigentlich das Recht zu wählen abschaffen.