Enttäuschung bei Offener Jugendarbeit Lustenau über Nein der Gemeinde

Vorarlberg / 19.06.2021 • 08:00 Uhr
Enttäuschung bei Offener Jugendarbeit Lustenau über Nein der Gemeinde
Jürgen Nussbaumer und Roman Zöhrer besprechen, wie es mit der OJAL weitergehen wird. BVS

Lustenau übernimmt Jugendarbeit selbst, kein Geld mehr für Verein OJAL.

Lustenau Die Marktgemeinde Lustenau übernimmt künftig die Jugendarbeit im Ort und will die Zügel dabei selbst in die Hand nehmen, „die Verantwortung für die Jugendarbeit selbst übernehmen“, wie Jugendreferentin Julia Bickel (VP) es gegenüber der VN-Heimat nennt. In den nächsten Monaten werden schrittweise fast alle Häuser der Offenen Jugendarbeit Lustenau (OJAL) und diejeingen Mitarbeitenden, die möchten, übernommen, wie Bickel versichert. Die finanziellen Förderungen werden dem Verein der Offenen Jugendarbeit gestrichen. Der will trotzdem weitermachen.

Trotz aller Schwierigkeiten blicken die Vereinsmitglieder positiv in die Zukunft. „Wir haben uns entschieden weiterzumachen. Man kann uns die Gelder streichen und die Häuser wegnehmen, doch unseren Willen für die Jugendlichen zu arbeiten, behalten wir“, so Roman Zöhrer, Geschäftsführer der OJAL.

Zentrale der OJAL gesichert

„Unsere Zentrale, das Culture Factor Y, ist für die nächsten zwei Jahre gesichert“, sagt Mathias Kraus, Obmann der OJAL. Durch die Streichung der finanziellen Mittel war es nicht sicher, wie die Miete für das Culture Factor Y bezahlt werden könne. Der Kassier Jürgen Nussbaumer habe dies glücklicherweise für den Verein gelöst. Das sind gute Nachrichten, die die OJAL benötigt. „Somit können die Guten Geister, unser Projekt für langzeitarbeitslose Jugendliche, weiter bestehen.” Roman Zöhrer wird es als Geschäftsführer nicht mehr geben, er unterstütze aber auch in Zukunft sein Team und wird als selbstständiger Berater im sozialen Bereich erhalten bleiben.

Große Verunsicherung

Verunsicherung über die geplanten Änderungen bei der offenen Jugendarbeit herrscht aus Sicht der OJAL vor allem aufseiten der Jugendlichen. „Mir hat letzthin ein Junge gesagt, dass er Angst habe, hier nicht mehr willkommen zu sein“, beschreibt Zöhrer die schwierige Situation in Lustenau.
Ihm und seinem Team gehe es darum, dass die Übernahme nicht auf dem Rücken der Jungen ausgetragen werde. „Sie sind es, die uns brauchen und für sie wollen wir auch weiterhin ehrenamtlich da sein“, sagt Mathias Kraus. „Wir verstehen es nicht. Es ist nichts vorgefallen. Wir haben seit über 20 Jahren eine höchst professionelle Jugendarbeit hier in Lustenau gemacht“, so Kraus. Für ihn und seine Vorstandskollegen fühle es sich an, als ob man ihnen das Herz herausgerissen habe.

Für sozial Benachteiligte

Julia Bickel, im Gemeindevorstand für die Jugend zuständig, erklärt die Übernahme: „Früher hat man die verortete Jugendarbeit an Vereine augelagert, weil es Förderung nur für Vereine, nicht für Gemeinden gab. Das ist jetzt anders.“ Anstatt jährlich 300.000 bis 350.000 Euro für die OJAL zu budgetieren, wolle man künftig die Verantwortung selbst tragen und so auch mehr Mitspracherecht haben. An der Arbeit der OJAL übt sie keine Kritik, auch Geschäftsführer Roman Zöhrer „hat eine ganz wertvolle Arbeit geleistet“, attestiert Bickel. Die Übernahme sei jedoch nicht plötzlich gekommen, sondern Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses.

Ans Aufgeben denkt man beim Verein nicht. „Wir machen weiter. Denn gerade in dieser schwierigen Zeit brauchen uns die Jugendlichen“, erklärt Kraus. „Es ist wichtig, dass Jugendliche ihre Freiräume und ihren Platz haben, an dem sie willkommen sind – ganz ohne Konsumzwang“, so Kraus. Ihren Fokus legen sie dabei besonders auf jene, bei denen die Eltern in den großen Industriebetrieben arbeiten. „Wir wollen gerade für diese Industriekinder da sein“, sagt Marcel Holzer, Stellvertretender Obmann.

Die Arbeit der Mitarbeitenden zeichne sich durch die Begegnungsarbeit mit den Jugendlichen aus. „Es ist wichtig, dort hinzuschauen, wo die Krise mit voller Wucht einschlägt.“ Ihre Arbeit würde durch einen fast 100-prozentigen Wegfall der Fördergelder erheblich eingeschränkt. Doch die Jugendlichen im Stich zu lassen, kommt für sie nicht infrage. „Dann gibt es ab jetzt in Lustenau einfach zwei Anlaufstellen für Jugendliche. So wie beim Fußball oder der Turnerschaft“, sagt Zöhrer.

Die OJAL mit den ehrenamtlichen Mitgliedern kann zwar nicht mehr alle ihre aufgebauten Tätigkeitsfelder betreuen, doch sie bleiben und jeder ist bei ihnen willkommen. bvs, VN-pes