Start in den Alpsommer auf dem Sonderdach in Bezau

Vorarlberg / 21.06.2021 • 16:36 Uhr
Bei Kaiserwetter konnte die „Sonderdach-Familie“ Patrozinium feiern. <span class="copyright">STP/3</span>
Bei Kaiserwetter konnte die „Sonderdach-Familie“ Patrozinium feiern. STP/3

Älplerfamilien feierten im Vorsäß mit einer Feldmesse und Segnung von Salz, Wasser und Feuer.

Bezau Die kleine Kapelle im Vorsäß Sonderdach ist Johannes dem Täufer geweiht – und weil dessen Namenstag Ende Juni gefeiert wird, begehen die Älpler nach alter Tradition auch bald nach dem Aufziehen des Viehs Patrozinium. Etwa in der Mitte der frühsommerlichen Vorsäßzeit, ehe das Vieh, das hier seit Ende Mai „Zwischenstation“ macht, Anfang Juli auf die Hochalpe wechselt. Von dort kehren die Kühe dann Anfang September wieder ins Vorsäß zurück, um Anfang Oktober ins Heimgut zu ziehen.

Zur rechten Zeit

Für das Älplerfest waren die Lockerungen gerade rechtzeitig gekommen, denn so konnte Pfarrer Edwin Matt mit den Mitgliedern der Alpgenossenschaft fast in gewohnter Art und Weise den Gottesdienst feiern und die traditionelle Segnung von Salz, Wasser und Feuer vornehmen.

Teil der Traditionspflege

Dank der Nähe der Seilbahn-Mittelstation hielten auch immer wieder Bergwanderer inne und gesellten sich zu den Älplern. Kaiserwetter trug dazu bei, dass nach der Feldmesse das Älplerfest wie in der guten alten Zeit bei einem gemütlichen Hock bis in den Abend hinein fortgesetzt werden konnte. Das Vorsäß Sonderdach ist eine von 38 Sennalpen, die in einer informativen Broschüre der KäseStraße aufgelistet sind.

Alpsommer nutzen

Mit einem vielfältigen Angebot will die KäseStraße diesen Alpsommer dazu nützen, Urlaubern und Einheimischen die Bedeutung der Alpwirtschaft näher zu bringen. Die Dreistufen-Landwirtschaft (Heimgut-Vorsäß-Hochalpe) ist eine jahrhundertealte Bewirtschaftungsform und wurde 2011 als Bestandteil des Kulturerbes der Region in das UNESCO-Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Die vor mehr als 20 Jahren gegründete Bregenzerwälder KäseStraße hat sich, so Obmann Max Bereuter, anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der UNESCO-Auszeichnung die Unterstützung und Förderung der Dreistufen-Landwirtschaft als einen Schwerpunkt im Jahresprogramm vorgenommen.

Die besondere Tanne

Jede der Alpen und jedes Vorsäß bietet Bergwanderern nicht nur Gastfreundschaft und Einkehrmöglichkeit, es gibt auch Sennereiführungen und Informationen über die Alpwirtschaft – und Alpen und Vorsäße haben zudem interessante Geschichten zu bieten. So auch das Vorsäß Sonderdach, das seit Jahrhunderten bewirtschaftet wird.

Der Name leitet sich von einer auffälligen besonderen Tanne ab, die hier in früheren Zeiten stand. Im Wälder Dialekt setzt sich b’sundors (besonders) und Tanno (Tanne) zusammen und verschmilzt so zu Sundortaa. In hochdeutscher Übersetzung wird daraus – eigentlich fälschlicherweise – Sonderdach.

Das Vorsäß besteht aus einem Dutzend Hütten, von denen heute längst nicht mehr alle alpwirtschaftlich genützt sind. Einige werden als Feriendomizile vermietet. Zwischen Seilbahn-Mittelstation und Kapelle steht das ehemalige Gasthaus der Familie Innauer. Der 1956 eröffnete Gastbetrieb ist seit vielen Jahren geschlossen, die Hinweise auf Olympiasieger Toni Innauer stark verwittert.

Aus Großalpe entstanden

Entstanden ist das Vorsäß durch Abspaltung von der ursprünglichen Großalpe Niedere. Aus dieser wurden nicht nur das Vorsäß Sonderdach, sondern auch zahlreiche andere Alpen (z. B. Greußings Wildmoos, Höfle, Leugehr, Vordere Baumgarten, Stoangerhöhe usw.) herausgelöst.

Heute umfasst Sonderdach eine Fläche von rund 60 Hektar und ist zu einem wesentlichen Teil im Besitz der Agrargemeinschaft Sonderdach, die rund 100 Alprechte hat. Seit mehr als zehn Jahren verarbeitet Senn Michael Oberhauser täglich rund 850 Liter Milch von 41 Kühen. Dabei kann nach Voranmeldung dem Senn täglich um 9.15 Uhr über die Schulter geschaut werden. Zu betreuen sind weiters 20 Rinder, 15 Schweine, Ziegen und Hühner.

Erste Kapelle vor 400 Jahren

Die heutige Kapelle stammt aus dem Jahre 1966. Damals, so weiß Gebhard Brenner im Gespräch mit der VN-Heimat zu berichten, musste die alte Kapelle generalsaniert werden. Weil sie zu nahe am größten Haus des Vorsäßes stand, wurde der heutige Standort um mehrere Meter verschoben. Erstmals erwähnt wird eine Kapelle um 1635, die kleine Glocke trägt die Jahrzahl 1692. Sie hat alle Kriegswirren unbeschadet überstanden, Gefahr drohte ihr lediglich in der Zwischenkriegszeit. „Da wurde sie“, so Brenner, „von einem Dieb gestohlen“.

Beim Abtransport wurde sie ihm aber offensichtlich zu schwer und er hat sie weggeworfen – „jedenfalls wurde sie später am Wegrand gefunden – im Gegensatz zum Dieb, der nie ausgeforscht werden konnte“. STP

Gebhard Brenner (l.) und Senn Michael Oberhauser informieren über das Vorsäß.
Gebhard Brenner (l.) und Senn Michael Oberhauser informieren über das Vorsäß.
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Nach altem Brauch segnete Pfarrer Matt Salz, Wasser und Feuer.