Nationalökonom von Rang

Vorarlberg / 23.07.2021 • 17:14 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Bücher von Moritz Julius Bonn: „The Crisis of European Democracy“, 1925, und „Die Auflösung des modernen Staates“, 1921. JMH
Bücher von Moritz Julius Bonn: „The Crisis of European Democracy“, 1925, und „Die Auflösung des modernen Staates“, 1921. JMH

Moritz Julius Bonn berichtete in seiner Autobiografie auch aus seiner Kindheit.

Hohenems Die VN-Heimat und das Jüdische Museum Hohenems betrachten in ihrer Biografienreihe heute die Geschichte des Wissenschaftlers Moritz Julius Bonn, der im Feld der Nationalökonomie tätig war. Mütterlicherseits stammte er aus der Familie Brunner und war deshalb in seinen Jugendjahren öfters bei seinem Großvater Marco Brunner in Hohenems zu Besuch. Eine dieser niedergeschriebenen Episoden wird in der derzeitigen Ausstellung „Die letzten Europäer“ behandelt.

Wurzeln in Hohenems

Moritz Julius Bonn kam am 16. Juni 1873 als Sohn des Bankiers Julius Philipp Bonn und der Hohenemserin Elise Brunner in Frankfurt am Main zur Welt. Er und seine 1877 geborene Schwester Julie waren somit Nachkommen zweier geschichtsträchtiger und bedeutender Familien.

Die Frankfurter Linie war bereits über Generationen im Bankwesen erfolgreich, während von den Hohenemser Vorfahren sowohl der einflussreiche Triestiner Kaufmanns- und Industriellenzweig als auch der bekannte Industrielle und Politiker Lucian Brunner in Wien abstammten. Als Kind kam Moritz Julius Bonn aber auch mehrmals aus Frankfurt zur Sommerfrische nach Vorarlberg, wo er mit seinem Großvater, der erst 1888 verstarb, die Synagoge besuchte.

Von einem der Gottesdienste wusste er in seinem autobiografischen Werk „So macht man Geschichte“ 1953 mit ironischer Note zu erzählen. So berichtete er über seine Freude an den getragenen Melodien des Chores, wohingegen er sich stets gefürchtet habe, zum Halten der Thorarollen aufgerufen zu werden. Eine Anekdote handelt außerdem vom „alten Heinrich Wohlgenannt“ der am Versöhnungstag mit dem Anblasen des Schofars das Ende des Fastentages verkünden sollte. Dieser hatte „nur noch wenige Zähne und mußte ein paarmal ansetzen, ehe er dem Instrument quietschende Töne entlocken konnte“. War Wohlgenannt nicht sofort „Erfolg beschieden“, verzögerte sich die Heimkehr, wo bereits „Guglhupf und Kaffee bereitstanden“. Bonn hielt aber fest, dass er ansonsten nicht übermäßig religiös erzogen wurde und zu Kontroversen in der Religion eine „respektvolle Distanz bewahren“ konnte.

Wissenschaftskarriere

Zum Studium zog es ihn zunächst nach Heidelberg, um für zwei Semester Vorlesungen zur Philosophiegeschichte zu besuchen. Ab 1893 wechselte er Fach und Stadt und inskribierte Nationalökonomie in München. Bereits 1895 promovierte er und wechselte für ein Semester zur Universität Freiburg, an der zu dieser Zeit der Soziologe Max Weber lehrte. Es folgte ein Studium an der London School of Economics.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts brachten ihn Forschungsreisen nach Irland und Italien, wo er die Engländerin Theresa Helen Cubitt kennenlernte, die er 1905 in London heiratete. Die nächsten Meilensteine seiner wissenschaftlichen Karriere erreichte er mit der Habilitation im Jahr 1905 sowie der außerordentlichen Professur an der Münchener Handelshochschule ab 1910. Dazwischen bereiste er mit seiner Frau zu Forschungszwecken Südafrika und das heutige Namibia.

Von 1914 bis 1917 lehrte er an mehreren Universitäten in den USA und nahm nach dem Ersten Weltkrieg als Politikberater an zahlreichen Konferenzen teil. Außerdem veröffentlichte Bonn seine Forschungen zu Themen wie Freihandel und wirtschaftlichem Wiederaufbau, worin er auch eine kritische Haltung zur europäischen Kolonialpolitik einnahm. Ab 1920 stand er als Rektor der Berliner Handelshochschule vor und leitete das von ihm gegründete Institut für Finanzwesen, wodurch ihm eine führende Position als Wirtschaftsexperte der Weimarer Republik zukam.

Als 1933 allerdings die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, musste Bonn zunächst nach Salzburg und dann nach London emigrieren. Ab 1938 verbrachte er die nachfolgenden Jahre des Zweiten Weltkriegs als Dozent in den USA, aus denen er schließlich 1946 wiederum in die britische Hauptstadt zurückkehrte. Dort verbrachte das kinderlos gebliebene Ehepaar Bonn seinen Lebensabend. Theresa Helen wurde 85 und verstarb im April 1959. Moritz Julius folgte ihr 91-jährig im Jänner 1965. RAE

Moritz Julius Bonn, das Foto ist undatiert. Bundesarchiv
Moritz Julius Bonn, das Foto ist undatiert. Bundesarchiv