Bodensee-Schnellstraße
Als ich vor etwa 35 Jahren als Verwaltungsjurist beim Land Vorarlberg meine Berufslaufbahn startete, lief die Diskussion über die S 18, eine Schnellstraßenverbindung zwischen dem österreichischen und dem schweizerischen Autobahnnetz im Rheintal, schon eine gefühlte Ewigkeit. Am Anfang stand in den 1960er Jahren die abenteuerliche Idee, eine Autobahn entlang des Bodenseeufers zu führen, was der ÖVP den Bürgermeistersessel in Bregenz auf Jahrzehnte kostete.
Nach diesem Schock darüber, dass mit einer Autobahn auch Wahlen verloren gehen können, wurden verschiedenste Varianten diskutiert. „Man kann nicht jeden Tag eine neue Trasse ins Spiel bringen und die Leute glauben machen, das sei seriöse Planung“, sagte mein damaliger Chef zu mir. Wir sollten uns noch wundern, was alles möglich werden würde.
Schließlich entschied sich die Politik für eine Schnellstraße, die direkt durch das Lauteracher Ried führte. Nach damaligem Recht war das eigentlich nicht das große Problem, es gab noch keine Umweltverträglichkeitsprüfung, Bewilligungsbehörde war die Bezirkshauptmannschaft und ein wirkungsvolles Mitspracherecht hatten die Naturschutzorganisationen nicht.
1999 wurde ein Bewilligungsverfahren eingeleitet, 2001 erließen die Bezirkshauptmannschaften Bregenz und Dornbirn den Genehmigungsbescheid. Mittlerweile hatten sich jedoch die Dinge geändert: Österreich war Mitglied der Europäischen Union geworden und hatte die Vogelschutzrichtlinie umzusetzen, was auch der EuGH in einem Urteil vom März 2006 bestätigte. Auf der Trasse brütete nämlich der streng geschützte Wachtelkönig. Es glaubte niemand, dass der kleine Wicht die S18 verhindern würde. Die Gemeinde Wolfurt und eine Schweizer Gemeinde bekämpften die Schnellstraße erfolgreich beim Verfassungsgerichtshof, der die verordnete Trasse ein paar Monate später wegen Verstoßes gegen das Europarecht aufhob. Damit stand die Diskussion über die S18 vor einem Neuanfang, von dem sie sich eigentlich bis heute nur scheinbar weiterbewegt hat.
Die Asfinag hat letztes Jahr erklärt, eine Trasse entlang des Siedlungsgebiets von Lustenau zur Genehmigung einzureichen. Die Verkehrsministerin will dieses Projekt nun vor der Einreichung auf seine Klimaverträglichkeit evaluieren, was deshalb überrascht, weil sie ja zuständige Genehmigungsbehörde ist. Was läge näher, als die Prüfung im Genehmigungsverfahren vorzunehmen? Die Antwort ist, dass es nicht sicher ist, ob im Verfahren eine Versagung der Genehmigung mangels Klimaverträglichkeit überhaupt möglich wäre, also prüft die Ministerin lieber schon jetzt.
„Wir sollten uns noch wundern, was alles möglich werden würde.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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