Gegen die Alkoholfahne Desinfektionsmittel geschluckt

Vorarlberg / 23.08.2021 • 17:30 Uhr
Gegen die Alkoholfahne Desinfektionsmittel geschluckt
Die 28-jährige Angeklagte hatte mit ihrem Pkw eine Radfahrerin niedergestoßen – mit 1,94 Promille im Blut. Vn/gs

Nach Unfall mit 1,94 Promille: Autofahrerin kommt dem Gericht mit ungewöhnlicher Erklärung.

Feldkirch Jener unglückselige Tag im März begann für die 28-jährige Pflegefachfrau mit einem bösen Schock, als sie mit ihrem Pkw zur Arbeit fuhr. Es trug sich in einer Oberländer Gemeinde zu, als sie nach einer Unterführung eine 56-jährige Radfahrerin erfasste und zu Boden schleuderte. Das Unfallopfer erlitt dabei Prellungen, Hautabschürfungen und eine Fraktur des elften Brustwirbelknochens. Die Frau leide noch heute an den schmerzhaften Folgen, gibt sie als Zeugin beim nunmehrigen Prozess am Landesgericht Feldkirch an.

Fahrlässige Körperverletzung

Bei der Unfalllenkerin wurden damals unmittelbar nach der Kollision 1,97 Promille Alkohol gemessen. Das hieß: Führerschein weg, erzwungener Besuch einer verkehrspsychologischen Untersuchung und eine Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht.

Auch wenn die 28-jährige Beschuldigte vor Richter Richard Gschwenter beteuert, damals vor der Polizei „die absolute Wahrheit“ gesagt zu haben, hätte sie dabei dennoch einen wichtigen Aspekt vergessen: „Ich hatte am Vorabend Wein getrunken und wusste, dass ich bei der Polizei in den Alkomat blasen muss. Doch ich hatte keinen Kaugummi dabei, um die Alkoholfahne zu verschleiern.“

In ihrer Verzweiflung habe die Pflegefachfrau deshalb kurzerhand zu einer mitgeführten Flasche Desinfektionsmittel namens „Sterillium“ gegriffen und daraus zwei Schluck getrunken, um den Alkoholgeruch zu „sterilisieren“. Was sie dabei außer Acht ließ, war die Tatsache, dass dieses ungewöhnliche „Gesöff“, wie Richter Gschwenter bemerkte, einen Alkoholgehalt von 99,4 Prozent aufweist. Faktisch also beinahe purer Alkohol.

Die Angeklagte beginnt nun in einer plötzlich auftretenden Melancholie zu schluchzen und seufzt, dass sie sich zehn Stunden nach dem Unfall Blut abnehmen lassen habe – mit dem Ergebnis von 0,0 Promille. Ihr Weinkonsum vom Vorabend allein hätte nie ausgereicht, es am nächsten Morgen auf einen Pegel von beinahe zwei Promille zu bringen, versichert sie.

„In Harakiri-Manier“

Zum Unfallhergang selbst bekennt sich die 28-Jährige immerhin „teilschuldig“. Tatsächlich war es so, dass die Radfahrerin in „Harakiri-Manier“ (Richter Gschwenter) in entgegengesetzter Fahrtrichtung auf dem Radweg unterwegs gewesen war, plötzlich in die Fahrbahn einschwenkte und dabei auch noch eine Sperrfläche überfuhr. Der verkehrstechnische Gutachter Christian Wolf hingegen betont, dass der Unfall durch die Autofahrerin dennoch vermeidbar gewesen wäre, aber: „Die Schuldfrage muss zivilrechtlich geklärt werden.“

Zurück zum „Sterillium“. Handelt es sich bei dieser Aussage um ein wahres Faktum? Oder vielmehr um eine verzweifelte Ausrede? Das Gericht will die Version mit dem Desinfektionsmittel nicht so recht glauben. Es wird deshalb ein gerichtsmedizinisches Gutachten in Auftrag gegeben. Dies, um unter anderem um zu klären, inwiefern sich zwei Schluck „Sterillium“ tatsächlich auf den Blutalkoholgehalt und auf die physische Komponente auswirkt. „Bis dahin wird die Verhandlung vertagt, wir sehen uns wieder“, schließt der Richter ab.