Neue hohe Hürde für Beschwerden über Absonderungsbescheide

Vorarlberg / 29.10.2021 • 22:24 Uhr
Beschwerden über Absonderungsbescheide sind seit Samstag teurer. In Vorarlberg haben die Bezirkshauptmannschaften eine Lösung gefunden. VN/Steurer
Beschwerden über Absonderungsbescheide sind seit Samstag teurer. In Vorarlberg haben die Bezirkshauptmannschaften eine Lösung gefunden. VN/Steurer

Wer sich über Coronabescheide beschweren möchte, trägt auch das Kostenrisiko.

Schwarzach Quarantäne ist mit einer Haftstrafe nicht zu vergleichen. Auf der einen Seite die eigenen vier Wände, Privatsphäre, Fernsehabende mit der Familie. Auf der anderen Seite eine Zelle, ständige Überwachung und Zellengenossen statt Familie. Juristen in der Bundesregierung sehen rechtlich durchaus Ähnlichkeiten. Für Menschen, die sich gegen Absonderungsbescheide wehren, bedeutet das: Eine Beschwerde könnte sich massiv verteuern. Das Landesverwaltungsgericht (LVwG) befürchtet wesentlich mehr Arbeit. Und die Bezirkshauptmannschaften (BH) haben schon reagiert.

Viele Bescheide

Die BH hat seit dem ersten Coronafall am 5. März 2020 kräftig Bescheide ausgestellt. 37.000 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger haben sich seitdem infiziert, was 37.000 Absonderungsbescheide bedeutet. Dazu kommen durchschnittlich fünf Kontaktpersonen, macht insgesamt rund 185.000 Bescheide. Nicht alle sind damit einverstanden. „Ein Bruchteil davon legt Beschwerde ein“, erklärt ein Mitarbeiter der Landespressestelle auf VN-Anfrage. Oft sind es formale Gründe, die von der BH direkt korrigiert werden können. In ganz seltenen Fällen leitet sie die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht (LVwG) weiter. 30 Euro kostet eine Beschwerde. Zehnmal verhandelte das LVwG ein Absonderungsbescheid. Das war vor allem zu Beginn der Pandemie der Fall, als es um die Länge der Absonderung ging. Derzeit sind drei Fälle anhängig, erklärt LVwG-Präsident Nikolaus Brandtner. Dass diese Beschwerden nun teurer und zahlreicher werden könnten, hat mit der Haftsache zu tun.

Über 900 Euro

Der soeben geschilderte Beschwerdeweg hat sich vergangenen Samstag geändert. Da trat das neue Epidemiegesetz in Kraft, indem Absonderungen auf dieselbe Art bekämpft werden können wie eine Haft. Statt einer Bescheidbeschwerde wird nun eine Art Maßnahmenbeschwerde eingereicht. Sie muss direkt ans LVwG gerichtet werden. 30 Euro Gebühr bleiben zwar bestehen, bei einer Maßnahmenbeschwerde ist aber Kostenersatz vorgesehen. Wer den Prozess verliert, muss der Gegenseite die Kosten bezahlen. Gerichtspräsident Brandtner rechnet vor: „Bei einem Beschwerdeführer sind das in der Regel 900 Euro und mehr. Gewinnt er, muss der Staat 1500 Euro und mehr bezahlen.“

Wenig Beschwerden

Derzeit beschäftigt sich das LVwG noch hauptsächlich mit anderen Coronabeschwerden. Meist handelt es sich um Bescheide zu Entschädigungszahlungen. Beim LVwG landeten 290 Fälle, wovon 120 offen sind. Dazu kommen rund 100 Beschwerden über Strafverfahren, 60 sind offen. Der Klassiker: Keine Maske auf Demonstrationen. Wie viel Verfahren jetzt dazukommen, ist ungewiss. „Wir haben die Sorge, dass die Fälle stark zunehmen“, sagt Brandtner. Die Gesetzesänderung sei überraschend gekommen. Dazu kommt der Zeitdruck: Wer sich gegen eine Haft wehrt, hat das Recht, dass sich ein Richter innerhalb von sieben Tagen mit der Beschwerde befasst. Das gilt nun auch für Menschen mit Absonderungsbescheid.

Die Zahl der Beschwerden, die bis Samstag von der BH direkt bearbeitet wurden, ist nicht bekannt. Allerdings hat man sich dort für einen Weg entscheiden, der ermöglicht, weiterhin nicht alles an das LVwG weiterzuleiten. Anstatt nach einer Beschwerde den Bescheid zu ändern, wird einfach ein neuer ausgestellt.

„Wir haben die Sorge, dass die Fälle am Landesverwaltungsgericht stark zunehmen.“

Beschwerden

2600 Anträge auf Entschädigung hat die BH negativ entschieden. 290 landeten vor dem LVwG, 120 davon sind offen.

 

6882 Anträge auf Entschädigung abgeschlossen, 13.731 offen. 40.182.356,20 Euro wurden bereits ausgezahlt.

 

100 Beschwerden zu Strafverfahren am LVwG eingereicht, 60 offen. Meistens wegen Verstößen gegen die Maskenpflicht.