Atomkraft als „green technology“: Das ist für Hildegard Breiner perfide

Die Grand Dame der Anti-Atomkraftbewegung zeigt sich vom Klimagipfel in Glasgow enttäuscht.
Bregenz Sie ist unverwüstlich und auch mit 85 Jahren noch eine unerschrockene Kämpferin: Hildgard Breiner. Mit ihrer Meinung hält sie nie hinterm Berg. Die Russ-Preisträgerin verfolgt mit großem Interesse den Klima-Gipfel in Glasgow. Ihr Fazit: „Da wird wieder viel geredet ohne Verbindlichkeit.“ Das Comeback der Atomindustrie und deren Imagekampagne als Vertreter einer umweltfreundlichen Technologie sieht sie mit Sorge. Mut macht ihr das große Engagement zahlreicher Umweltgruppen – auch vor Ort in Glasgow.
Wie beurteilen Sie den bisherigen Verlauf des Klimagipfels in Glasgow?
Es ist wie üblich. Man macht dort schöne Versprechungen. Was fehlt, sind allerdings fixe Pläne und konkrete Kostenaufstellungen für die Umsetzung von Maßnahmen. Es bleibt alles unverbindlich.
Was stimmt Sie besonders pessimistisch?
Die Bestrebungen, die Atomindustie wieder an Bord zu holen und deren Bestreben, sich als Lieferant umweltfreundlicher Energie hinzustellen. Das ist perfide und eine Verdrehung der Tatsachen. Ich habe lange an den ausgerufenen „Green Deal“ geglaubt. Ich habe mich täuschen lassen.
Was gibt Ihnen Hoffnung?
Dass sich vor Ort in Glasgow 300 Umweltorganisationen aus fünf Kontinenten zusammengefunden haben und dort ihre Positionen vertreten. Meine realistischsten Hoffnungen auf eine positive Entwicklung sind jedoch der Rechenstift und das Geld. Es ist ja offensichtlich, dass umweltfreundliche Technologien mit Abstand auch die wirtschaftlich vorteilhaftesten sind. Mut gibt mir auch die Jugend, speziell die Friday-for-Future-Begegnung. Ich unterstütze die jungen Menschen bei ihren Aktivitäten, so gut ich kann.
Die Reduzierung der Erderwärumung auf 1,5 Grad bis 2030 scheint schwer möglich und wäre laut Experten auch viel zu wenig. Wie soll man die Staatenlenker dieser Welt zu ökologisch verantwortlichem Handeln bringen?
Ich verstehe einfach nicht, was die Verantwortlichen denken. Sie wissen doch genau, was los ist, was passiert, wenn nichts passiert. Aber sie müssen ihre Inaktivität ja nicht mehr ausbaden. Das müssen die kommenden Generationen. Es geht alles viel zu langsam.
Chinesen und Russen sind bei der Klimakonferenz gar nicht dabei. Auch die Amerikaner haben sich schon verabschiedet. Was hat das für eine Symbolkraft?
Ich finde das menschenverachtend. Bei den Chinesen kenne ich mich überhaupt nicht aus. Einerseits sind sie bei Umwelttechnologien führend, bauen Solaranlagen, setzen auf Wasserkraft und Wind. Andererseits bauen sie ein Atomkraftwerk nach dem anderen.

Kommen wir zur Atomkraft zurück. Da ist die Atomlobby im Vormarsch. Mit Frankreich an der Spitze. Deren Botschaften: geringe CO2-Emissionen, niedriger Strompreis.
Was heißt hier billiger Strom. Wenn man Aufbau und Abbau von Atomkraftwerken in Betracht zieht, dazu die Problematik der Endlagerung von Brennstäben, ist die Atomkraft die teuerste Energiegewinnung. Es stellt einem die Haare auf, wenn man die Atomkraft als nachhaltig und klimafreundlich hinstellen will. Das größte Problem in Sachen Atomkraft in Europa ist der Euratomvertrag, der diese Technologie per Gesetz europaweit unterstützt.
„Es stellt einem die Haare auf, wenn man die Atomkraft als nachhaltig und klimafreundlich hinstellen will.“
Hildegard Breiner, Umweltaktivistin
Da gibt es auch noch eine Expertengruppe der EU-Kommission. Diese empfiehlt dem Gremium, die Atomkraft als nachhaltige Energiequelle zu qualifizieren.
Wer sind denn diese Experten? Die sollte man sich schon genau anschauen und herausfinden, in wessen Sold sie stehen. Diesen sogenannten Experten stehen tausende Wissenschaftler entgegen, die genau das Gegenteil dessen belegen, was die für gut und richtig halten. Ich meine, dass hinter allen Interessen der Atomlobby vor allem militärische Kreise stecken. Die setzen ganz auf Atomenergie.

Was sagen Sie zu Milliardären wie Bill Gates, welche neue Atomtechnologien wie die kleinen SMR-Reaktoren unterstützen?
Diese Technologie mag etwas weniger hochgefährlich sein. Aber sie ändert nichts an der großen Problematik der Atomenergieerzeugung. Ich finde, dass trotz all dieser Aktivitäten die Atomindustrie in ihren letzten Zuckungen liegt. Dennoch darf man nicht nachlassen im Einsatz gegen alle Aktivitäten der Atombefürworter. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass der Euratomvertrag revidiert wird.
In Österreich wurde das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz verabschiedet. Ist das nicht ein Durchbruch in Richtung Klimaneutralität und Umweltbewusstsein?
Das ist tatsächlich ein großer Schritt in die richtige Richtung. Es werden damit die Voraussetzungen für die Energiewende geschaffen.