“Ich wollte glücklich sein – dann schlug das Schicksal zu”

Vorarlberg / 07.02.2022 • 10:40 Uhr
"Ich wollte glücklich sein - dann schlug das Schicksal zu"
Aus Dankbarkeit zündet Fritz Mayer jeden Tag vier Kerzen an. Roland Paulitsch

Fritz Mayer (72) sprang dem Tod gleich ein paar Mal von der Schaufel. Er dankt dem Herrgott jeden Tag dafür, dass er noch leben darf.

Koblach Draußen ist es düster. Der Himmel ist regenschwanger. Erste Regentropfen prasseln bereits ans Fenster. Fritz Mayer (72) schaltet in der Küche das Licht ein und zündet dann, wie jeden Tag, vier Kerzen an.

„Es gibt keinen Tag, an dem ich dem Herrgott nicht dafür danke, dass ich noch leben darf“, sagt er und nippt genüsslich am Kaffee. Heute kann er sich an kleinen Dingen erfreuen. Eine Tasse Kaffee, ein Stück Kuchen, ein Spaziergang, ein Lächeln, das ihm geschenkt wird, all das löst bei ihm bereits ein Glücksgefühl aus. Das Leben machte ihn zufrieden, dankbar und empfänglich fürs kleine Glück. Aber es verlief nicht so, wie er es sich als junger Mensch vorgestellt hatte. „Es hat meine Erwartungen nicht erfüllt. Ich wollte glücklich sein. Aber dann kamen die Schicksalsschläge.“

Als Kind war Fritz oft krank. „Man kam dann drauf, dass ich eine Schrumpfniere hatte. Ich war 15, als man sie herausoperierte.“ Im selben Jahr verlor der gebürtige Götzner seinen Bruder Roland. Fritz war gerade auf Erholung, als ihn die Hiobsbotschaft ereilte. „Roland starb auf der Straße. Er wurde von einem Auto niedergefahren.“ Der Verlust des älteren Bruders traf Fritz schwer. „Roland war mein Vorbild. Er war Automechaniker und ich ein Autofan. Ich hatte die größte Freude, wenn ich mich zu ihm in den Wagen setzen durfte.“

Fritz war als kleiner Bub schon mobil. Sein Dreirad bedeutete ihm viel.
Fritz war als kleiner Bub schon mobil. Sein Dreirad bedeutete ihm viel.

Beruflich wurde Fritz mehrmals gezwungen, neu anzufangen.  Weil er von der Welt etwas sehen wollte, begann er zunächst als Lkw-Fahrer zu arbeiten. Später war er als Chauffeur tätig. „16 Jahre lang habe ich meinen Chef und Geschäftskunden chauffiert.“ Mit 45 ließ er sich zum Fahrlehrer ausbilden. 18 Jahre lang brachte er mit Begeisterung jungen Menschen das Autofahren bei. „Ich war bei den Schülern sehr beliebt. Viele sagten: ,Wir wollen den Fritz haben.‘“ Einige Jahre lenkte er auch einen Müllwagen. Gegen Ende seines Arbeitslebens war er mit einem 480 PS starken Sattelzug unterwegs. Ein Verkehrsunfall, in den er unverschuldet verwickelt wurde, war folgenschwer und führte schließlich dazu, dass er mit 59 Jahren Invalidenrente beantragte. „Ein Lkw fuhr im Pfändertunnel auf mich auf. Der Fahrer hatte mit dem Handy telefoniert. Ich wurde bei dem Unfall schwer verletzt.“

Mit 19 kaufte sich Fritz sein erstes Auto, einen gebrauchten Triumph Herald.
Mit 19 kaufte sich Fritz sein erstes Auto, einen gebrauchten Triumph Herald.

Fritz musste oft neu anfangen, nicht nur im Beruf, sondern auch in der Liebe. Seine erste Ehe mit Ingrid hielt 24 Jahre. „Sie hat mir vier gesunde Kinder geschenkt. Dafür bin ich ihr heute noch dankbar.“ Später heiratete er nochmals, aber nach einem Jahr war alles aus. Zuletzt ging eine elfjährige Beziehung zu Bruch. Mit seiner letzten Gefährtin reiste er viel und lernte die Welt kennen. Auch das erfüllt ihn im Nachhinein mit großer Dankbarkeit.

Fritz ist ein Autofan. Seit seiner Jugend sammelt er Miniaturautos. Inzwischen hat er 300 davon.
Fritz ist ein Autofan. Seit seiner Jugend sammelt er Miniaturautos. Inzwischen hat er 300 davon.

Fritz hat viele Gründe, dankbar zu sein. Er sprang dem Tod gleich ein paar Mal von der Schaufel. 2015 erlitt er in Kuba einen leichten Schlaganfall. „Ich konnte nicht mehr richtig gehen, zog meinen Fuß nach.“ Zwei Jahre später wurde er mit Blaulicht ins Spital gefahren, nachdem im Zuge einer MRT-Untersuchung in seinem Kopf ein Blutgerinnsel entdeckt wurde. „Ich wurde sofort operiert.“ Es blieb nicht bei dieser einen Operation. „Insgesamt musste ich vier Mal am Kopf operiert werden.“ Das Blutgerinnsel hatte sich gebildet, weil Fritz sich bei Holzarbeiten den Kopf angeschlagen hatte. 2020 erlitt der Rentner abermals einen Schlaganfall und überlebte auch diesen. Versonnen blickt der 72-Jährige auf die flackernden Kerzen. Dann sagt er plötzlich in den Raum hinein: „Ich habe immer gekämpft und versucht, das Leben nicht zu schwer zu nehmen.“