Ich würd uns eine geschmeidige Neun geben
Unlängst ist mir brennheiß eingefallen, dass ich schon ewig keine Kässpätzle mehr gegessen habe. Schlimmer noch: Ich habe schon ewig keine Kässpätzle mehr gemacht.
„Mein Nachwuchs mag keinen Käse. Wie kann man keinen Käse mögen!!“
Das hat einen traurigen Grund, der mir als Vorarlbergerin irrsinnig peinlich ist in seiner monströsen Groteskheit: Mein Nachwuchs mag keinen Käse. Wie kann man keinen Käse mögen!! An der Vorbildwirkung liegt es nicht: Die Mutter isst oft und viel Käse in allen Aggregatzuständen, was immer wieder zu temporären Bussi-Verboten in der Familie führt. Die Kinder akzeptieren Käse gerade mal in geschmolzenem Zustand auf Pizza und Lasagne, und da vorzugsweise in der aromareduzierten Mozzarella-Version. Ein Kind lässt hin und wieder ein hauchdünnes Parmesan-Nebelchen auf seine Pasta schweben; ansonsten: nein, no, auf gar keinen Fall, nicht mal in einem anderen Leben. Und das ist auch insofern bizarr, als ich manchmal, des Umamis wegen, Käse in Speisen schmuggle, die als schmackhaft gelobt und gierig verschlungen werden, bis ich erwähne, dass sie Käse enthalten. Den Fehler mache ich sicher nicht mehr.
Jedenfalls: Ich beschloss, endlich wieder einmal Kässpätzle zu machen, gemeinsam mit einer Freundin mit Ländle-Wurzeln, für unsere eingeborenen Wiener Freunde. Ich studierte verschiedene Spätzlerezepte, fand den Spätzlehobel, kaufte griffiges Mehl, dann ging ich zum Käsestand am Brunnenmarkt, der, seit ich mich erinnern kann, von einer türkischen Familie geführt wird. Urteilt nicht, bevor ihr nicht folgendes zur Kenntnis genommen habt: An dem Stand gibts an Surakäs aus Schnifis, immer, zuverlässig, man muss ihn nicht erst bestellen. Den kaufte ich, und ein Stück Rässkäs aus einer anderen Vorarlberger Sennerei, der mich dann aber nicht sehr glücklich gemacht hat, weil: fad, lau, zu frisch, ohne Biss. Dann noch ein Stück alten, würzigen Bergkäs. Und dann gabs Debatten mit dem jungen Käsehändler, der mir als milde, fädenziehende Komponente allerlei Schweizer Produkte anbot. Nein, nein und nein! Sicher nicht werde ich einen Schweizer Käse in die Vorarlberger Kässpätzle mischen! Er fand dann einen Alpkäse aus dem Ländle, alles gut.
Wir machten dann also die Käsknöpfle, Schicht um Schicht. Obenauf ein Kilo Zwiebel ganz langsam in sehr viel Butter goldig geschmurgelt. Mit grünem statt Grumpara-Salot (es ist auch so schon schwer genug) und mit selbstgemachtem Apfelmus. Es war … also, auf der zehnteiligen Skala würde ich uns eine geschmeidige Neun geben, weil nicht räss genug. Aber sonst: Nichts wofür wir uns als Exiländlinnen genieren müssten. Den Wienern hat’s auch geschmeckt, a Schnäpsle druf.
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
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