Nachricht aus der Ukraine: “Er schreibt jede Stunde o. k.”

Sofia Petrova lebt seit eineinhalb Jahren in Vorarlberg. Ihre Mama und Oma sind vor wenigen Tagen aus der Ukraine geflüchtet.
Kiew, Feldkirch Seit drei Wochen ist in der Ukraine Krieg. Über drei Millionen Menschen sind seither vor den russischen Angreifern geflohen. Am Donnerstag wurden einmal mehr heftige Gefechte gemeldet. Auch die Hauptstadt Kiew stand weiterhin unter Beschuss. Sofia Petrova ist froh, dass ihre Mama, ihre Oma und die drei Hunde seit ein paar Tagen in Vorarlberg in Sicherheit sind. Der Papa und der Bruder mussten in Kiew bleiben. “Männer zwischen 18 und 60 Jahren können nicht über die Grenze, weil sie unser Heimatland schützen müssen”, erläutert die Schülerin.
Sofia ist vor eineinhalb Jahren wegen der Ausbildung nach Vorarlberg gekommen. Zunächst war sie an der Handelsschule Feldkirch, seit Herbst besucht sie die zweite Klasse der HAK mit Schwerpunkt Digital Business. Die 16-Jährige lebte bislang bei ihrer Tante in Höchst. “Am Samstag bin ich mit ihrer Mama nach Feldkirch gezogen. Eine sehr nette Dame hat uns dort ein Zimmer angeboten. So bin ich auch näher bei der Schule. Meine Oma ist in Höchst geblieben”, erzählt die junge Ukrainerin.

Kranke Oma
Mama und Oma haben die ersten Tage nach Kriegsausbruch in Kellern verbracht. Ohne Bett, ohne Stuhl, bei eisigen Temperaturen. Am 4. März flüchteten sie. Zunächst mit dem Zug nach Budapest, dann mit dem Auto nach Salzburg und am Ende wieder mit dem Zug. “Die Oma hat viele Krankheiten. Für sie war es sehr anstrengend”, sagt Sofia. Das Schwierigste an der Flucht sei aber gewesen, den Bahnhof von Kiew zu erreichen. “Es gibt viele Stationen, an denen die Papiere geprüft werden. Das Problem ist, dass es viele Russen gibt, die sich wie Ukrainer anziehen. Die schießen überall. Sie töten einfach Menschen auf der Straße. Mama hat gesagt, dass sie richtig Angst hatte, aber dort zu bleiben wäre gefährlicher gewesen.”
Der Bruder von Sofia kocht für die Soldaten und andere Menschen vor Ort. Sergey, ihr Vater, ist Schaffner und hilft seit Kriegsbeginn bei der Evakuierung von Zivilisten aus Kiew. Der Zug fährt nach Iwano-Frankiwsk in den Westen der Ukraine. Sofia berichtet: “Ein Abteil ist normalerweise für 60 Leute, jetzt sind 120 oder 150 drinnen. Es gibt keinen Platz zum Sitzen. Viele lassen ihre Sachen einfach am Bahnhof zurück, damit sich noch in den Zug kommen.” Vor der Rückfahrt wird der Zug mit Essen, Kleidung und anderen Dingen beladen, die für die Menschen in Kiew gesammelt wurden.
Jede Stunde ein O. k.
„Hoffentlich ist es bald vorbei und wir können uns alle treffen“, ergänzt Sofia, die am Donnerstag gemeinsam mit einem Klassenkameraden eine von der HAK/HAS Feldkirch organisierte Videokonferenz mit Landeshauptmann Markus Wallner, Politikwissenschaftler Gerhard Mangott und Presse-Chefredakteur Rainer Nowak zum Thema Ukrainekrieg moderierte. Die geplante Schaltung zu ihrem Vater hat nicht geklappt. Die Verbindung ist schlecht. Telefongespräche sind nur sporadisch möglich. “Wenn er im Zug ist, schreibt er jede Stunde o. k., damit wir wissen, dass alles in Ordnung ist”, schildert Sofia Petrova.
Die kämpferische Entschlossenheit ihrer Landsleute erinnert Sofia an eine Strophe der Nationalhymne. „Leib und Seele geben wir für unsere Freiheit, und bezeugen, dass wir, Brüder von kosakischem Stamme sind”, heißt es dort. Mama Svetlana ergänzt: „Unsere Gegner sind nicht die Russen. Unser Gegner ist die russische Regierung. Viele von uns haben Freunde oder Familie in Russland. Die Freundin der Tante, die uns in Budapest abgeholt hat, ist Russin, wir hassen die Russen nicht.”