Wie Johannes Okoro ein Seelsorger für alle wurde

Vorarlberg / 24.03.2022 • 11:00 Uhr
Wie Johannes Okoro ein Seelsorger für alle wurde
Doktor Okoro betreut in seiner Psychotherapeutischen Praxis in Dornbirn Kinder und Erwachsene. HRJ

Der Geistliche und Psychotherapeut sieht die Liebesfähigkeit als ein Zeichen der Spiritualität.

DORNBIRN, SCHWARZACH Er ist Altkatholischer Bischof, Seelsorger, Psychologe, Psychotherapeut. Er lehrt an Universitäten in Österreich, Deutschland, Nigeria und Äthiopien. Er schreibt Bücher und Fachartikel.

Der 72-jährige aus Nigeria stammende Johannes Okoro ist ein vielbeschäftigter Mann mit einer Biografie, die mehrere Bücher füllen könnte. In seiner Praxis in Dornbirn, bei Tee und Keksen, gewährt er Einblick in sein Leben, das am 21. August 1949 in Kano, einer Stadt in Nigerias Norden, begonnen hat.

Soldat im Biafra-Krieg

Johannes Okoro wächst mit elf Geschwistern unter der Obhut des Vaters auf. Die Mutter ist gestorben, als er drei Jahre alt war. Die Familie gehört der Volksgruppe der Igbo an.

1967 bricht im Südosten Nigerias der Bürgerkrieg um die Provinz Biafra aus. Okoro zieht als Stratege und Spionage-Offizier in den Krieg. Die Konfrontation mit Gewalt und Elend bekräftigt seine längst getroffene Entscheidung, katholischer Priester zu werden.

Wie Johannes Okoro ein Seelsorger für alle wurde
Am 2. Februar 2008 wurde Johannes Okoro in Wien zum Bischof der Altkatholischen Kirche geweiht. APA/HERBERT PFARRHOFER

Drei Jahre später ist der Krieg zu Ende. Okoro legt die Reifeprüfung ab und studiert Theologie. Im Juli 1974 reist er, gemeinsam mit einem Freund, nach Innsbruck zum Studium der Theologie und Psychologie. Die zwei nigerianischen Studenten fliegen von Lagos über Frankfurt nach Linz und fahren von dort mit dem Zug weiter nach Innsbruck: „Da standen wir und sprachen kein Wort Deutsch.“ Er und sein Freund werden kurzum in ein Jugendferienlager von Comboni-Missionaren im Allgäu verfrachtet. „Dort mussten wir den Deutsch redenden Kindern zuhören und üben, üben, üben“, erzählt er. „Die Deutschprüfung, die ich dann für die Uni-Aufnahme ablegen musste, war schwer, aber ich schaffte sie.” Die Studien schließt er mit den Titeln Magister und Doktor ab. Danach wird er Kaplan in Dornbirn.

1981 kehrt er nach Nigeria zurück, um dort Klinische Psychologie zu studieren und an einer Universität sowie in einem Priesterseminar zu unterrichten. Im selben Jahr erscheint sein erstes Buch: „Über die Einstellung zum Tod“. Ein weiteres, „Die Sonne geht an keinem Dorf vorüber“, wird 2009 publiziert.

1988 ist er wieder da, wird Kaplan in Lustenau und macht die Ausbildung zum Psychotherapeuten. Seit 1991 betreut er in der eigenen Praxis in Dornbirn Kinder und Erwachsene psychotherapeutisch. Seit zwölf Jahren ist er an der Akademie in Wiesbaden (Deutschland) Lehrtherapeut für Positive Transkulturelle Psychotherapie, bildet Therapeuten weltweit aus und leistet ehrenamtlich psychotherapeutische Entwicklungshilfe in Äthiopien.

Der Diplomkrankenpflegerin Edith Schreiner begegnet Johannes Okoro, als er Pfarrer in Dornbirn Oberdorf geworden ist. „Ihre Mutter war meine Sekretärin. Durch sie habe ich Edith kennengelernt“, erzählt er. Bevor die beiden ein Paar werden, verpflichtet sich Okoro als Militärpfarrer der österreichischen UN-Truppen, zuerst in Zypern, dann am Golan. Damals, 1995, ist er bereits österreichischer Staatsbürger. 18 Monate dauert sein UN-Einsatz. „Dann hatten sie vor, mich in den Kosovo zu senden, aber ich blieb in Vorarlberg.“

Für eine Partnerschaft mit Edith Schreiner tritt Okoro 1999 aus der katholischen Kirche aus und in die liberalere altkatholische Kirche ein. „Ich wollte Priester sein und trotzdem heiraten“, begründet er den Schritt und führt aus: „Für einen Priester ist es das Wichtigste, authentisch und liebesfähig zu sein. Ich sehe die Liebesfähigkeit als ein Zeichen der Spiritualität.“ Geheiratet wird im gleichen Jahr. Mittlerweile bewohnen die Okoros ein Einfamilienhaus in Schwarzach.

Die Öffentlichkeit sei nicht so sein Ding, bekennt Okoro. Allerdings steht er während seiner Amtszeit als Bischof der altkatholischen Kirche von 2008 bis 2015 ziemlich oft im medialen Fokus. Danach ist es wieder ruhiger um ihn geworden. Unter Menschen ist er trotzdem gern, „denn ich habe aus Nigeria mein soziales Herz mitgebracht“. Bei (fast) jedem Gemeindefest ist er dabei und bereitet nigerianische Köstlichkeiten zu. „Beim Essen kommt man zusammen“, lautet seine Devise. In Nigeria war Johannes Okoro zuletzt vor 18 Jahren. Mit seinen noch lebenden fünf Geschwistern hält er online Kontakt. Heimweh habe er keines, stellt er klar, denn „man soll dort leben, wo man seine Aufgabe hat“.