Fynn Kirchner: „Diskriminierung passiert aus Unwissenheit“

Fynn Kirchner setzt sich für die Rechte der queeren Menschen ein.
von Petra Milosavljevic
Schwarzach Transgender, bisexuell, homosexuell, nonbinär und cis. Mit diesen Begriffen können manche wenig anfangen. Für Fynn Kirchner sind sie Teil seines Alltags, und er freut sich, wenn er sein Wissen über die LGBTQ Community weitergeben kann. „Jeder redet gern über Themen, die ihn interessieren“, so der Vorarlberger. Mittlerweile gehört er zum Vorstand des Go West Vereins für LGBTQ+.
Dort ist der Leiblachtaler hineingewachsen. Er ist immer öfter zu den offenen Treffen gegangen, hat irgendwann bei den Workshops, die zur Aufklärung in Schulen angeboten werden, mitgemacht, und schließlich wurde er gefragt, ob er nicht in den Vorstand möchte.

Im Go West versucht er, Transgender und andere queere Menschen zu unterstützen. Der 24-jährige führt Beratungsgespräche, erklärt, wo sich die Menschen entsprechende Hilfe holen können. Gemeinsam feiern sie auch kleine Erfolge.
Außerdem ist der Verein ebenfalls für alle da, die zusammen mit anderen queeren Menschen etwas unternehmen möchten, wie eine Lesegruppe, Strickrunde oder andere Aktivitäten. Egal ob jung oder alt. Denn wie Kirchner sagt: „Jeder kann queer sein, unabhängig von Alter und Herkunft.“ Das vergessen seiner Meinung nach viele. „Zum Beispiel ist der Aufklärungsbedarf in den Alters- und Pflegeheimen groß. Queere Leute werden auch älter und kommen ins Altersheim. Es gibt den Begriff „Coming Out“, was so viel heißt wie aus sich herauskommen oder aus dem Kleiderschrank kommen. Und wenn sie ins Altersheim kommen, sind sie wieder im Kleiderschrank und müssen nochmal herauskommen“, erklärt der Leiblachtaler. Deswegen ist es wichtig, die Gesellschaft darüber richtig zu informieren, denn wie Kirchner entschlossen sagt: „Diskriminierung passiert aus Unwissenheit. Je mehr man über das Thema redet, umso mehr werden die Leute es mit der Zeit akzeptieren und als normal betrachten. Darüber bei der Arbeit, in der Schule, im privaten Leben, in der Öffentlichkeit und in der Familie zu sprechen, hilft. Man muss das Reden darüber in den Alltag einfließen lassen“, schildert er.
Noch einiges zu tun
Der Vorarlberger ist der Meinung, dass noch einiges zu leisten ist, damit sich queere Menschen in der Gesellschaft akzeptiert fühlen. Ein großer Schritt wäre es, wenn sie einen rechtlichen Schutz vor den Diskriminierungen erhalten würden. Zum Beispiel seien sie am Arbeitsplatz geschützt, doch außerhalb sei es anders. Im Grunde sei man machtlos gegen den Hass und könne höchstens eine Anzeige wegen Beleidigung machen, verfolgt werde sie selten, erzählt Kirchner. Zudem wünscht sich das Vorstandsmitglied mehr Unterstützung seitens der Ärzte aus Vorarlberg auf dem Gebiet der Endokrinologie, Gynäkologie und Urologie für Transgender bei ihrer Umwandlung.
Persönlicher Weg
Für Österreich trat im Jahr 2014 beim Eurovision Song Contest Conchita Wurst auf. Das war das erste Mal, dass Fynn Kirchner mit den Worten „Transgender“ und „Drag“ in Berührung kam. Der damalige 16-Jährige beschäftigte sich mit dem Thema, recherchierte, bis er erkannte, dass er sich genauso fühlte. Schon einige Zeit davor wusste Fynn nicht, was mit ihm los war, wie er selbst sagt. „Die Pubertät ist gekommen und da dachte ich mir schon, irgendetwas passt nicht“, meint er nachdenklich. Als ihm klar war, dass sein biologisches Geschlecht und das gefühlte nicht übereinstimmen, musste er auch mit seiner Familie darüber reden. Bei seinem Coming Out stieß er auf positive Reaktionen. Seine Schwester war sichtlich froh über die Neuigkeiten: „Ich wollte immer einen älteren Bruder“, und sein Vater wollte mit ihm gleich das richtige „Häß“ kaufen gehen. Die Veränderung kam dann Stück für Stück. Die Namensänderung erfolgte, als Fynn 17 Jahre alt war. Ein Jahr später begann er auch mit der Hormontherapie. Mit der Therapie kamen nicht nur die Veränderungen wie Haarwuchs, vor allem der Bart, auf den Fynn ganz stolz ist, und eine tiefere Stimme, sondern sogar die Schuhgröße vergrößerte sich um fast zwei Nummern. Auch als seine Umwandlung geschafft war, war sie nicht vollendet. „Ich musste dann herausfinden, wer ich wirklich bin und wie ich mich präsentiere“, so der junge Vorarlberger. Seinem jüngeren Selbst würde er jetzt sagen: „Du bist richtig, so wie du bist, und mach dir keinen Kopf darüber, dass du etwas später draufgekommen bist.“