Verflixter Buchstabenwirrwarr

Vorarlberg / 07.04.2022 • 19:16 Uhr

Eltern empfinden legasthene Kinder in der Schule als zu wenig beachtet.

Schwarzach Legasthenie und Dyskalkulie: Der eine Begriff bezeichnet eine Lese- und Rechtschreibstörung, der andere eine Rechenschwäche. Beides kann betroffenen Kindern das schulische Fortkommen erschweren. Zwar gibt es Erlässe, der letzte stammt aus 2021, die den Umgang im Unterricht regeln, dennoch beklagen Eltern immer wieder eine mangelnde Rücksichtnahme auf die Handicaps ihrer Kinder.

So wird etwa kritisiert, dass es zu wenige auf diese Lernschwächen spezialisierte Pädagoginnen und Pädagogen gibt. Brigitta Amann, Leiterin der Schulpsychologie, will das nicht so stehen lassen: „Die Pädagogische Hochschule in Feldkirch bietet viersemestrige Lehrgänge an, die immer voll belegt sind.“ Welche Maßnahmen angewendet werden, die Schülern helfen, besser zurechtzukommen, liegt in der Verantwortung der Lehrkräfte. „Diese müssen dazuschauen, wie der betroffene Schüler und die Klasse zum bestmöglichen Lernergebnis kommen.“

Förderkonzepte

Die Bildungsdirektion kann mit verbindlichen Förderkonzepten nur im Bereich der Pflichtschulen tätig werden. Bundesschulen sind diesbezüglich von den Regeln des Bundes abhängig. Die Erlässe gelten allerdings für alle Schultypen und enthalten klare Unterstützungsempfehlungen. Schätzungen zufolge gibt es in jeder Klasse drei bis vier Kinder mit einer Lernschwäche, die mehr brauchen als einen Standard-Unterricht. Eine klinische Diagnose haben laut Brigitta Amann aber nicht sehr viele. Sie spricht von „zirka einem Schüler“ pro Klasse.

Pädagogen in Volks- und Mittelschulen können im Rahmen ihrer Lehrverpflichtung Stunden für diese Kinder aufwenden. Es gebe auch bei Legasthenie unterschiedliche Ausprägungen, weshalb die Lehrkraft entscheiden müsse, welcher Förderschwerpunkt Schülern mit der jeweiligen Symptomatik am besten entgegenkomme. „Es gibt aber auch Kompensationsmöglichkeiten, etwa mehr gesprochene Sprache statt schriftlicher Texte oder Rechtschreibkorrekturen am Computer“, erläutert Amann.

Von Eltern heftig beanstandet wird ebenso der Wegfall der sogenannten Zwei-Phasen-Schularbeit. Dabei können legasthene Schüler in einem zweiten Durchgang die Schularbeit oder den Test nochmals verbessern. Diese Möglichkeit wurde bislang empfohlen, die neuen Richtlinien sehen sie jedoch nicht mehr vor. Zur Feststellung einer Legasthenie gibt es die pädagogische Diagnostik, die aber keine Diagnose darstellt. Lehrer erheben im Rahmen von standardisierten Verfahren, wo Schüler stehen und wo sie im Lesen und Rechtschreiben zu welchem Zeitpunkt stehen sollten.

Eltern einbeziehen

Wird ein Aufhol- oder Lernbedarf festgestellt, müssen Schulen reagieren. Nützen Förderungen nichts, könne man eine psychologische Abklärung in Erwägung ziehen. Das sei indes die letzte Maßnahme. „Immer sollten die Eltern mit einbezogen werden“, sagt Brigitta Amann und betont die Wichtigkeit einer guten Kommunikation.

„Am besten ist es, die ganze Schule macht sich Gedanken, wie sie den Umgang mit lernschwachen Schülern bewerkstelligt“, würde sich Amann für jede Bildungsstätte ein entsprechendes Schulkonzept wünschen. Ein ähnliches Anliegen haben Eltern. Sie fordern eine Ansprechstelle für Legasthenie und Dyskalkulie: „Dann wäre schon viel gewonnen.“ Und es soll mit Vorurteilen aufgeräumt werden, wonach diese Kinder im Unterricht bevorteilt würden. „Wir wollen nichts geschenkt, nur eine faire Ausbildung für unsere Kinder“, spricht ein Vater Klartext. VN-MM

„Die ganze Schule sollte sich Gedanken zum Umgang mit lernschwachen Schülern machen.“