Unausweichliche Reform
Die Reform des Parteienrechts erfolgt Zug um Zug: Immer dann, wenn der öffentliche Druck aufgrund irgendwelcher Skandale so groß ist, dass die Politik keine anderen Auswege findet, wird ein Vorhaben präsentiert.
Nachdem das Projekt im Gefolge des Ibiza-Videos in das Regierungsprogramm aufgenommen wurde, geschah vorläufig nichts. Schließlich herrschte Pandemie.
Dann legte der Rechnungshof von sich aus einen Gesetzesentwurf vor, auf den die Bundesregierung zwar nach außen hin wohlwollend, im Ergebnis jedoch mit Untätigkeit reagierte. Erst nach der Aufregung über die Chats von Thomas Schmid und die zu Tage getretene zumindest fragwürdige Inseratenpolitik der ÖVP haben die Regierungsparteien ihren eigenen Vorschlag erarbeitet, diesen aber nie in das Parlament eingebracht.
Der Entwurf wäre wohl wie jener des Rechnungshofes in der digitalen Schublade vergessen worden, wenn nicht die Vorarlberger Wirtschaftsbundaffäre geplatzt wäre. Der Entwurf für ein neues Parteienrecht soll nun der Begutachtung zugeführt werden. Wer glaubt, die Parteien würden dabei nur das Interesse an Transparenz und Kontrolle verfolgen, irrt: Im letzten Entwurf war über die derzeitige Rechtslage hinausgehend vorgesehen, dass die Parteien ein verfassungsmäßiges Recht auf Parteienförderung haben sollen. Zur Erinnerung: Sozialhilfeempfänger:innen genießen keine verfassungsrechtliche Absicherung.
Das dringendste Anliegen an das Gesetz ist die möglichst vollständige Erfassung aller Organisationen im Nahbereich der Parteien, egal ob sie sich Alois-Mock-Institut, Natur- oder Kinderfreunde nennen, egal ob es sich um „schwarze“ oder „rote“ Autofahrer:innenclubs oder Sportvereine handelt. Ein zweites dringendes Anliegen ist die Kontrolle: Der Rechnungshof und die Landesrechnungshöfe sollen Einblick in die Gebarung der Parteien erhalten, soweit es darum geht, wie Parteienförderung verwendet wird und wie die Deklaration und Herkunft von Parteispenden zu prüfen ist.
Vorarlberg will unter dem Druck der Ereignisse rund um die Wirtschaftsbundaffäre schon jetzt einen Zug setzen und demnächst den Landesrechnungshof mit erweiterten Prüfkompetenzen ausstatten. Das wäre ein richtiger Schritt, der vielleicht auch das Vorgehen auf Bundesebene beschleunigen könnte. Schade, dass es dazu erst wieder eines Skandals bedurfte.
Überhaupt ist dringend zu empfehlen, Reformen dann einzuleiten, wenn sie sinnvoll sind und nicht erst, wenn sie unausweichlich geworden sind.
„Das wäre ein richtiger Schritt, der vielleicht auch das Vorgehen auf Bundesebene beschleunigen könnte.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
Kommentar