Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Ein bisschen Sand war auch noch da

Vorarlberg / 02.05.2022 • 19:08 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Letzte Woche habe ich mit einem der fast erwachsenen Kinder das Hasengitter vom Wiener Balkongeländer entfernt. Als das Hasengitter weg war, war uns wieder klar, warum ich es damals, als die Kinder noch ganz winzig waren und gerade mal gehen konnten, mit Kabelbindern und Draht am Geländer festgezurrt habe: eine wunderschöne, alte schmiedeiserne Balustrade, die sich in schwingenden, spiralierenden Mustern rund um den Balkon zieht und Kleinkindern dazwischen viel Platz lässt, um kleinere und größere Gegenstände aus dem fünften Stock auf die Straße zu werfen. Einmal gelang es einem Vierjährigen, ein größeres Matchboxauto unter dem Hasengitter durchzuzwängen, es landete glücklicherweise auf keinem Fußgänger und ein paar Zentimeter neben dem Jaguar, der wie an vielen anderen Tagen auch an diesem vor unserem Haus parkte. Gottseidank!, und das Gitter wurde anderntags auch nach unten entschieden gesichert. Nach oben war es das schon, es überragte das niedrige Geländer um fast einen Meter, weil ich den Kindern auf dem schmalen Balkon eine winzige Sandkiste gebaut hatte. Die Sandkiste gibt es seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr, aber ein paar Schüfile Sand tauchten beim Gitterabmontieren unter den Sukkulenten auf, die sich in den Ritzen darunter eingenistet hatten. Das abmontierte Gitter habe ich zusammengerollt und mit ins Waldviertel genommen. Der Nachbar, der mir dort im Winter auf der ersten Schneefahrbahn mit seinem Pellets-Anhänger den Zaun eingedrückt hatte, ist schon dabei, mir einen schönen neuen zu bauen, aber zwischenzeitlich ist dieses Stück zur Straße hin gerade offen, das geht nicht, wenn man einen abenteuerlustigen Hund hat, da kam das Hasengitter gerade recht.

Ich bin mittlerweile ziemlich geübt im Zäune-Aufstellen, seit der Hund vor zwei Jahren zu uns kam. Ich baute zum einen Nachbarn hinüber einen einfachen Weidezaun, nachdem der Hund dort durchs frische Radieschenbeet gepflügt war, montierte zum Bach hin ein altes Gittertor, das schon ewig hinterm Schuppen gelehnt hatte, und schloss mit ein paar Metern Maschendrahtzaun, den eine andere Freundin noch herumliegen hatte, zum anderen Nachbarn hin ein paar Lücken, okay, ein bisschen schleißig, mit Draht und Kabelbindern, mein Vater könnte nicht hinschauen. Für den Hund reichte es, den Hund hielt er auf und davon ab, die Katze des Nachbarn zu jagen. Leider hielt es nicht seine Kälber auf, die haben mir vorletzte Woche im Zuge eines Fluchtversuchs den Zaun niedergetrampelt, als gäb‘s ihn gar nicht. Tja. Ich hatte noch ein paar Pfosten und eine Handvoll U-Nägile übrig und stellte den Zaun wieder auf. Ich hoffe jetzt einfach, dass die Kälber das auch so sehen.

„Ich bin mittlerweile ziemlich geübt im Zäune-Aufstellen, seit der Hund vor zwei Jahren zu uns kam.“

Doris Knecht

doris.knecht@vn.at

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.