Peter Schröder

Kommentar

Peter Schröder

Moralprobleme

Vorarlberg / 28.08.2022 • 17:30 Uhr

In der Welt brennt es an allen Ecken und Enden: Krieg in der Ukraine, Covid noch immer nicht vorbei, Inflation, ein Kernkraftwerk kann uns um die Ohren fliegen, und was sonst noch alles auf uns niederprasselt. Und jetzt auch noch das: Das Toilettenpapier wird Mangelware. Warnen jedenfalls die Berufsverbände der “Sanitätspapier”-Hersteller in den USA und auch in Europa: Weil das zur Klopapier-Fabrikation notwendige Gas knapp und sehr teuer geworden ist. “Katastrophale Zustände warten auf uns”, heißt es in den US-Medien.

Panische Zukunftsangst hat auch viele amerikanische Autofahrer ergriffen. Denn im US-Bundesstaat Kalifornien sollen zum Zwecke des Umweltschutzes ab 2035 keine neuen Verbrenner-Autos mehr zugelassen werden. Was Vertreter der US-Auto-Lobby eilig als “Entrechtung” der heimischen Gaspedalisten einstufte. Leserbriefschreiber der “Los Angeles Times” erkannten gar einen “Anschlag auf die demokratischen Grundrechte”.

Zunehmender Umweltdreck führt in weiten Teilen der Welt zu Katastrophen.

Da kann man/frau mal sehen, wie sich Gefahren-Einschätzungen in der westlichen Welt gewaltig zu verschieben scheinen. Natürlich ist ein als Folge des russischen Eroberungskrieges in der Ukraine drohender Klopapier-Notstand bei uns “unangenehm”. Aber ein Opfer des Massenmordens bei den europäischen Nachbarn zu werden, ist eine andere Kategorie.

Verlangen die Klagenden über Reinigungsnotstände auf der Toilette und unter der Dusche wirklich das schnelle Ende des der Kriegsbeendigung dienenden westlichen Oel- und Gasboykotts gegenüber Russland nach dem Motto: Klopapier, Langzeitduschen, Volldampfheizung und runter mit den Benzinpreisen statt Überleben in der Ukraine?

Und das Jammern über Umweltschutzmaßnahmen wie die kalifornische “Verbrenner-Attacke” beleuchtet ein anderes moralisches Problem: Zunehmender Umweltdreck führt in weiten Teilen der Welt zu Katastrophen mit Hitzewellen Überschwemmungen, verdorrten Feldern und Trinkwassermangel. UNO-Angaben zufolge müssen als Folge fast eine Milliarde Menschen in Afrika, Südost-Asien, Mittelamerika sowie in der Nordhälfte Südamerikas hungern. Darunter rund 300 Millionen Kinder. Und jährlich sterben mehrere Millionen Kinder unter 12 Jahren einen qualvollen Hungertod.

Buchstäblich alles im Leben hat nun einmal seinen Preis: Für die Freiheit, das nackte Überleben, und den Schutz vor Krieg genauso wie für die Moral und die Menschlichkeit. Die Freiheit zu Ignoranz und menschenverachtendem Egoismus gehört nicht dazu. Weder unter der Dusche, noch beim Runterdrehen der Heizung. Und auch nicht bei fehlendem Toilettenpapier.

Peter W. Schroeder

berichtet aus Washington, redaktion@vn.at