Tourismusstrategie?
Manche Dinge machen einen so sprachlos, dass man lange braucht, um darauf zu reagieren. Ein halbes Jahr ist es nun schon her, dass die Wirtschaftskammer und die Landesregierung nach Wolfurt einluden, um vollmundig die Vorarlberger Tourismusstrategie 2030 zu verkünden. Seitdem hört man davon nicht mehr viel. Und das ist vielleicht auch besser so.
Solche Strategiepapiere werden meistens in einer seltsamen Sprache verfasst. Ich denke da auch an so manches eigene Produkt. Aber in diesem Fall ist es nicht nur die Sprache. Eher ist es eine Sprachlosigkeit, die nicht zu überhören ist.
„Im Kleingedruckten kommen dann irgendwann die Festspiele und die Frage nach reiseauslösenden Kulturangeboten.“
Seit vielen Jahren bemühen sich Vorarlberg Tourismus und die Vorarlberger Kulturveranstalter*innen um einen produktiven Dialog. Das fordert beiden Seiten manchmal ab, ein wenig über den Zaun zu schauen. Für einen Kulturbetrieb bedeutet das zum Beispiel, darüber nachzudenken, wie man aus Gästen im Land eine Community machen kann, die am Kulturleben nicht nur konsumierend teilnimmt, sondern Teilhabe und Beziehungen aufbaut. Das ist für das Land gut, weil es auch kritische Perspektiven in die Entwicklung hineinholt, und für die Gäste ist es gut, weil sie so von ihrem Aufenthalt Inspiration in ihre eigene Lebenswelt mitnehmen.
Doch in der „neuen“ Tourismusstrategie ist von alldem seltsamerweise nichts, und zwar ganz genau gar nichts zu finden.
Unter den „Beteiligten am System Tourismus in Vorarlberg“, wie es dort heißt, fehlt auffälliger Weise ein Akteur: von Kultur ist nicht die Rede. Schon gar nicht davon, welche Rolle Kulturveranstalter dabei spielen könnten, Menschen die im Tourismus arbeiten, besser auszubilden, sie darauf vorzubereiten, ihre Gäste für dieses Land zu interessieren, oder ihre Stimme ernst zu nehmen. Oder welche Möglichkeiten gerade die Kulturszene bietet, Menschen die uns dann vielleicht auch öfter besuchen, an der Entwicklung des Landes teilhaben zu lassen. Aber will man überhaupt Entwicklung?
Im Kleingedruckten kommen dann irgendwann die Festspiele und die Frage nach reiseauslösenden Kulturangeboten. Und das war´s. Ansonsten: Regionalität und Kulinarik, sanfte Mobilität, Nachhaltigkeit, Wohlfühlangebote und so weiter. Alles gut und richtig. Fast alles davon könnte auch in einer Tourismusstrategie für die Oberpfalz oder das Burgenland stehen. Warum gibt man also so viel Geld dafür aus, Hunderte von Menschen in einen Prozess einzubeziehen, der am Ende in ein Papier mündet, das man auch aus der Schublade hätte ziehen können?
Hanno Loewy
hanno.loewy@vn.at
Hanno Loewy ist Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems.
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