Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Die erdrückende Last der Teuerungen

Vorarlberg / 24.02.2023 • 22:55 Uhr

„Du Ländle, meine teure Heimat“, beginnt die Vorarlberger Landeshymne. Derzeit könnte man die Melodie – in freilich völlig anderem Zusammenhang als vom Feldkircher Musiklehrer Anton Schmutzer ursprünglich gedacht – permanent vor sich hin summen. Beim Schleichen durch Supermarktgänge, wo Lebensmittel eine selten gekannte Preissteigerung erfahren haben. Beim Restaurantbesuch, wenn der Kellner die Rechnung bringt. Beim Heizen und beim Lichteinschalten sowieso. Teuerung und Preissteigerungen schlagen mit aller Brutalität zu.

Die billigsten Produkte erfahren großen Zulauf, das wiederum gefährdet die regionale Produktion, zum Beispiel von Lebensmitteln. Die Vorarlberger Produzenten überzeugten bislang durch Qualität, nicht durch billig-billig.

Der gestiegene Gaspreis machte nicht nur Heizen teurer, der Preisschock setzte sich in alle Lebensbereiche fort: Beheizte Glashäuser machen Gemüse teurer – oder WC-Papier. Die Bandbreite ist riesig, ohne Energie passiert rein gar nichts. Auch wenn es für das Überleben noch reichen mag: für ein bisschen Freude im Leben, für Unbeschwertheit ist kein finanzieller Spielraum geblieben.

Die Lage verschärft sich zunehmend: die hohen Stromkosten sind in Vorarlberg noch nicht angekommen. Privatkunden haben den Preiserhöhungsbrief des Energieversorgers diese Woche erst in der Post. Der Bund beschloss eine Strompreisbremse für alle – und das Land will zusätzlich 30 Millionen aufwenden, um ab 1. April das Gröbste abzuwenden.

Die türkis-grüne Bundesregierung hat es jedoch noch nicht geschafft, sich auf eine Mietpreisbremse zu einigen. Die Maßnahme würde hauptsächlich Wiener treffen, die zum Richtwertmietzins wohnen. Nicht unbedingt ÖVP-Klientel. Und so fordert die ÖVP auch am Land Entlastung, verknüpft die Mietpreisbremse mit Befreiungen von der Grunderwerbsteuer. Auch wenn sich die Regierungsparteien dann doch einigen sollten, es bleibt eine weitere Maßnahme à la Gießkanne. Die Problematik ergibt sich aber auch am Land aus einem Cocktail an Indexanpassungen, höheren Kreditzinsen und Betriebskosten – die Grunderwerbsteuer hilft da nur sehr bedingt.

Die Schockmeldung vom Donnerstag zeigt den Handlungsbedarf. Während selbst der Finanzminister, wie er bei Vorarlberg Live bestätigte, mit einem Rückgang der Inflation rechnete, schnellte diese auf den Krisenhöchstwert von 11,2 Prozent hoch. In Österreich. Denn in der Eurozone sank sie auf 8,5 Prozent.

Die Menschen in diesem Land ächzen unter der Last der Teuerungen. Sie erwarten sich Gegenmaßnahmen der Politik und keine Spiele, keine Deals.

Apropos „teure“ Landeshymne: 1949 wurde „’s Ländle, meine Heimat“ vom Landtag zur Landeshymne erhoben. In den Jahren direkt nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Österreich mit grundsätzlichen Problemen zu kämpfen, die Inflation lag 1949 bei 20 Prozent.

Gerold Riedmann

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Twitter: @gerold_rie

Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.