Ausländer

Vorarlberg / 16.03.2023 • 10:00 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
Ausländer

Sie wissen ja, Frau Ammann macht sich große Sorgen über die grassierende Wissenschaftsskepsis in unseren Breiten und daraus resultierende Einschätzungen der Lage, die Thesen in der „Zukunftsrede“ des Kanzlers eingeschlossen: „Der Untergangsirrsinn, der nirgends hinführt“, „Ich werde mich dem Verbot des Verbrennungsmotors widersetzen“ usw. Da war wohl ein Auge auf die blaue Klientel gerichtet, um deren Stimmen man buhlen will. Die verzweifelt warnende Wissenschaft wird mit derlei Verharmlosung jedenfalls keine Freude haben.

Auch das Thema „Ausländer“ bzw. der Umgang mit ihnen hätte mehr Fokus verdient, denn die Anzeichen häufen sich, dass, wie in Krisenzeiten üblich, ein beängstigender Ruck in extreme Positionen stattfindet.

Trauerspiel

Frau Ammann drückt mir eine aktuelle Studie der Uni Leipzig in die Hand, die besagt, dass Ressentiments gegenüber Ausländern, Rassismus, Fremdenhass und Antisemitismus wieder im Steigen begriffen sind und dass vor allem junge Menschen aus dieser Haltung gefährliche und irrationale politische Schlüsse ziehen. „Die Zahl derer, die Ausländer ablehnen, ist nämlich genau in den Bundesländern (Deutschlands) am größten, die die wenigsten Ausländer im Land haben …“ und von „den 14- bis 30-Jährigen wünscht sich jede(r) 6. (!!) eine autoritäre Diktatur“. Eine höchst seltsame Entwicklung, eingedenk unserer eigenen Geschichte und des Trauerspiels, das heutige autokratische Führer von Russland bis Iran gerade aufführen. „Erinnerungspolitischen Impfschutz“ gibt es offenbar noch immer nicht.

Völker ausgelöscht

Dabei ist der Begriff des „Ausländers“ ja ein höchst relativer Terminus, wie wir wissen. Was genau sind eigentlich die Eigenschaften, die als „fremd“ und damit potenziell problematisch wahrgenommen werden? Das Aussehen? Die Hautfarbe? Die Sprache? Die Religion?
Gibt’s Hierarchien der Sympathie? Italiener vor Franzosen vor Engländern? Oder Christen vor Juden, vor Moslems? Polen vor Syrern vor Afghanen? Die Grundcharta der Menschenrechte der UNO mag „rechtlich“ nicht bindend sein, ist aber als Kodex der Versöhnung ein guter Weg.

Migration wird von unserem Planeten niemals verschwinden. Klimatische Veränderungen, wirtschaftliche Um- und Zusammenbrüche oder Kriege aller Art haben oft genug Wanderbewegungen befeuert oder ganze Völker ausgelöscht, wir sollten uns also, als aufgeklärte Zivilgesellschaft, mit diesem Phänomen früh genug arrangieren, wobei ganz simple ethische Grundsätze wie Toleranz und Empathie gute Begleiter wären.
Frau Ammann ist auf Instagram über einen Spruch gestolpert, der es trefflich auf den Punkt bringt: „Alle Menschen sind Ausländer. Irgendwo. Alle Rassisten sind Arschlöcher. Überall.“

Reinhold Bilgeri ist Musiker, Schriftsteller und Filmemacher, er lebt als freischaffender Künstler in Lochau.

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