Leihstimmenkampagnen
Bundeskanzler Nehammer hat sein Thema gefunden. Und ich hatte ihn am Anfang wirklich falsch verstanden. Dachte ich doch, er meint mit Biosprit so etwas wie in Österreich oder sonstwo angebauten Raps. Doch weit gefehlt, er hat einen genialeren Plan. Er will den Verbrennermotor dadurch retten, dass er irgendwo in Afrika E-Fuel produzieren lassen will. Der wird zwar im Straßenverkehr nicht wirklich ankommen, aber erst einmal für ein paar Porsches und langfristig sogar für Flugzeuge und Schiffe gebraucht werden können. Der Kanzler hält die Österreicher aber offenbar für so dumm wie manche FDP-Politiker die Deutschen. Schließlich träumen wir ja alle von einem Porsche oder einem Privatjet, und dann kommt E-Fuel vielleicht wenigstens im Traum auch in unseren Tank.
Währenddessen haben ÖVP und SPÖ in den Niederungen der wirklichen Politik wachsenden Erfolg mit ihren Leihstimmenkampagnen: für die FPÖ und neuerdings auch die KPÖ.
Während die Bundes-ÖVP die letzten anständigen Konservativen in ihrer Partei ins offene Messer rennen lässt, indem sie gegen Klimaschützer, Flüchtlinge, Gendergerechtigkeit oder andere Gottseibeiunse so laut trommelt, dass die „Freiheitlichen“, also die Autoritär-Identitären, die Wähler nur einsammeln brauchen, bekommt die SPÖ nun ebenfalls die Lektion für ihren Jahrmarkt der Eitelkeiten. Während ein Doskozil mit der ÖVP darum konkurriert, noch mehr Wähler der FPÖ zuzutreiben, zeigen die Kommunisten in Salzburg, was der SPÖ dafür als Quittung blüht. Und von wegen „Kommunisten“? Man könnte auch sagen, dass in Salzburg einfach viele Leute die sozialdemokratischere Partei gewählt haben.
Immerhin, ich habe es schon nicht mehr geglaubt, gäbe es in der SPÖ ja inzwischen tatsächlich eine Alternative. Ein Bürgermeister, der zeigt, wie man ganz unaufgeregt menschlich mit Flüchtlingen umgehen kann, und das ohne „Volksaufstand“ oder Stammtischrevolution. Vermutlich arbeitet man in der ÖVP schon an Plänen, wie man in Traiskirchen Ärger provozieren kann. Demontage von potenziell gefährlichen Sozialdemokraten, darin ist die ÖVP nun wirklich ganz groß.
Bleibt jetzt erst einmal abzuwarten, ob die SPÖ-„Parteibasis“ den Sprung über den langen Schatten schafft, den die alten Herren der Partei gerade wieder geworfen haben. Mit einer Empfehlung für die Parteivorsitzende mit dem unüberbietbaren Argument, man solle sich für sie entscheiden, weil sie es doch schon sei. Ein schöneres Bild für das, was die SPÖ derzeit unter „Fortschritt“ versteht, gibt es wohl kaum. Man nennt es auch Schockstarre.
„Demontage von potenziell gefährlichen Sozialdemokraten, darin ist die ÖVP nun wirklich ganz groß.“
Hanno Loewy
hanno.loewy@vn.at
Hanno Loewy ist Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems.
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