Mikado
Schon seit Monaten ringt die Bundesregierung mit sich selbst um die Vergabe zweier wichtiger Funktionen: Zum einen ist die Position eines Präsidenten oder einer Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts zu besetzen, zum anderen ist die Leitung der Bundeswettbewerbsbehörde vakant. Die Grünen blockieren die Besetzung dieses Postens, weil sie dem Ergebnis der zuständigen Auswahlkommission misstrauen, die einen männlichen Kandidaten vor einer Frau, der bisherigen Stellvertreterin des in den Ruhestand getretenen Generaldirektors, gereiht hat. Wegen dieser Haltung der Grünen blockiert die ÖVP die Bestellung der von einer anderen Auswahlkommission erstgereihten Bewerberin (sie ist nebenbei auch Präsidentin der Richtervereinigung) zur Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts.
Offenbar spielt die Bundesregierung Mikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Der monatelange Stillstand bei der Besetzung wichtiger Funktionen ist schädlich. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat für einen funktionierenden Wettbewerb zu sorgen, was besonders in Zeiten einer hohen Inflation wichtig ist. Umso bedeutsamer wäre es, Klarheit zu schaffen, wer diese Behörde in Zukunft führt. Beim Bundesverwaltungsgericht kann die Präsidentin oder der Präsident den Richterinnen und Richtern selbstverständlich keine Weisungen erteilen. Sie oder er hat jedoch dafür zu sorgen, dass Arbeitsabläufe und Ausstattung verbessert werden, was beispielsweise notwendig ist, um die Vielzahl von Asylverfahren möglichst rasch und dennoch qualitätsvoll abzuarbeiten.
Das politische Mikado ist nicht nur schädlich, sondern auch verfassungswidrig. Die Bundesregierung hat nämlich eine Rechtspflicht, diese Posten im gesamtstaatlichen Interesse zu besetzen. In einem isländischen Fall hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2019 entschieden, dass die Besetzung eines Gerichts mit Richtern, die ihre Position dadurch erlangt hatten, dass besser qualifizierte Personen benachteiligt wurden, gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstieß. Kurz gesagt: Die oder der Bestqualifizierte gehört in die betreffende Funktion, und das schnell. Damit erübrigt sich jedes Mikado.
„Das politische Mikado ist nicht nur schädlich, sondern auch verfassungswidrig.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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