Deswegen hält Umweltministerin Gewessler unbeirrt an Südumfahrung Lustenau fest

Vorarlberg / 25.06.2023 • 19:15 Uhr
Umweltministerin Leonore Gewessler im Gespräch mit VN-Chefredakteur Gerold Riedmann und VN-Redakteur Klaus Hämmerle. <span class="copyright">VN/Stiplovsek</span>
Umweltministerin Leonore Gewessler im Gespräch mit VN-Chefredakteur Gerold Riedmann und VN-Redakteur Klaus Hämmerle. VN/Stiplovsek

Leonore Gewessler (45) ist fest überzeugt, dass Österreich seine Klimaziele erreicht und lobt die Bevölkerung.

BREGENZ. Beim Ende des Verbrennungsmotors möchte sie etwas schneller sein als das übrige Europa, die Windkraftpläne in Vorarlberg sieht sie mit Freude, das in den letzten drei Jahren für den Klimaschutz Erreichte bewertet sie positiv: Umweltministerin Leonore Gewessler erlebt sich mit ihrer Arbeit aber noch lange nicht am Ende.

Gibt’s in Bezug auf die aktuellen Entwicklungen in Russland bezüglich Energieversorgungen irgendwelche Veränderungen?

Unmittelbar hat sich nichts verändert. Wir wissen, es ist weiterhin unsicher. Wir wissen, wir müssen raus aus dieser Gasabhängigkeit von Russland. Wir müssen erneuerbare Energiequellen ausbauen, damit auch unser Standort wieder sicher ist. Derzeit sind die Speicher zu 80 Prozent voll. Die Versorgung für den nächsten Winter ist gesichert. Trotzdem müssen wir weitere Schritte setzen, um aus dieser Abhängigkeit raus zu kommen. Putin darf mit dem Abdrehen des Gashahns nicht darüber entscheiden, ob die Industrie genug Energie hat, oder es in den privaten Haushalten warm bleibt. Wir müssen weiter diversifizieren.

Die Klimaministerin ist mit dem Umsetzungswillen der Bevölkerung für klimafreundliche Maßnahmen zufrieden.
Die Klimaministerin ist mit dem Umsetzungswillen der Bevölkerung für klimafreundliche Maßnahmen zufrieden.

Jeder sollte seine alte Heizung entfernen, eine Wärmepumpe installieren, eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach setzen lassen, das Auto wechseln. Wie viele Veränderungen verträgt die Bevölkerung eigentlich?

Es macht mir sehr viel Mut, zu sehen, wie die Menschen in diesem Land beim Klimaschutz dabei sind. Wir haben einen absoluten Rekordausbau bei der Photovoltaik. Wir haben in den letzten drei Jahren in Österreich die Photovoltaik-Produktion verdoppelt. Wir haben Rekordzahlen bei den Anträgen für den Heizkesseltausch. Wir wollen raus aus den fossilen Energiequellen. Die E-Auto-Zulassungen gehen rasant nach oben. Das gibt Kraft und macht Hoffnung. Weil wir sehen: Wenn wir die Rahmenbedingungen schaffen, die Förderungen erhöhen, die rechtlichen Änderungen schaffen, dann sind die Menschen dabei.

Der Photovoltaik-Ausbau wurde laut Umweltministerin in den letzten drei Jahren in Österreich verdoppelt. <span class="copyright">VN/Stiplovsek</span>
Der Photovoltaik-Ausbau wurde laut Umweltministerin in den letzten drei Jahren in Österreich verdoppelt. VN/Stiplovsek

In Deutschland offenbar nicht. Warum ist das bei uns so anders?

Mir macht in der Diskussion in Deutschland Sorgen, wie sie geführt wird. In Zeiten von Veränderungen braucht es Politikerinnen und Politiker, die erklären, die vermitteln können und nicht solche, die mit bestenfalls Halbwahrheiten Ängste schüren und verunsichern. Denn wir haben eine riesige Herausforderung: Die Klimakrise. Dabei geht es fundamental um unser Überleben. Im Klimaschutz vorankommen, heißt, dass wir in Österreich noch Gemüse anbauen können, dass der Neusiedlersee nicht austrocknet, dass wir noch Skifahren können und Schnee sehen. Da geht es nicht um Partikularthemen, sondern um Grundlegendes. In Deutschland wird das Heizungsgesetz gerade sehr intensiv diskutiert. Wir haben bei uns aber gleich am Anfang darauf geschaut dass es eine ordentliche Förderung gibt und die Menschen beim Heizungskesseltausch bestmöglichst unterstützt werden. Wir haben auch die Information darüber verbessert. Die Länder fördern zusätzlich. Und: Wir haben eine komplett neue Förderung für einkommensschwache Haushalte. Das sind die unteren 20 Prozent der Einkommenspyramide, für die es bis zu 100 Prozent Förderung gibt.

Dem Heizen mit Wärmepumpen soll die Zukunft gehören. Dafür sollen die Ölheizungen überall verschwinden.  <span class="copyright">Weider Wärmepumpen</span>
Dem Heizen mit Wärmepumpen soll die Zukunft gehören. Dafür sollen die Ölheizungen überall verschwinden. Weider Wärmepumpen

Trotzdem geht es sich nicht aus, wenn man sich die Maßnahmen in Österreich und in Vorarlberg ansieht. Wir verfehlen die Klimaziele. Sind Verschärfungen notwendig? Braucht’s mehr von allem?

Ich bin jetzt seit dreieinhalb Jahren Ministerin, und wir machen gerade unseren nationalen Energie- und Klimaplan. Und für diesen Plan berechnet uns das Umweltbundesamt auf Basis dessen was wir schon beschlossen haben bzw. was jetzt gerade im Parlament ansteht, wo wir in punkto CO2 hinkommen. Und da zeigt sich: Wir schaffen’s auf minus 35 Prozent. Zum ersten Mal sieht man in Österreich in einer Prognose eine Reduktion der Emissionen. Das zeigt: Die Maßnahmen wirken. Es wäre aber auch vollkommen vermessen, zu glauben, dass nachdem die vorigen Regierungen 30 Jahre viel zu wenig gemacht haben, wir es schaffen, in drei Jahren alles umzudrehen. Wir werden weiterhin ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen brauchen bis 2040. Das ist ein Marathon, kein Sprint. Auf das 2030-Ziel fehlen uns jetzt noch rund zehn Prozentpunkte. Da gilt es jetzt, die Maßnahmen zu diskutieren.

Dem Verbrennungsmotor wollten sie bereits 2027 den Garaus machen. Der Kanzler hält Autogipfel ab und plädiert für Technologieoffenheit. Ist die ÖVP auf dem Holzweg?

Wir, ÖVP und Grüne, haben uns Klimaneutralität bis 2040 vorgenommen. Wenn wir das erreichen wollen, müssen wir ein bisschen schneller sein als die EU. Dort haben wir beschlossen, dass wir 2035 auf emissionsfreie Neuzulassungen umstellen. Für den Weg dorthin müssen wir die Fakten anschauen. Alle großen Autohersteller in Europa haben beschlossen, auf E-Mobilität zu setzen. Darin wird investiert. Wir müssen auch ehrlich sein mit den Leuten. Wenn ein Liter E-Fuels 2030 sechs, sieben Euro kostet – wer soll sich das leisten? Ich möchte, dass Mobilität auf klimafreundliche Art und Weise leistbar bleibt. Das Aus für den Verbrenner schon 2027 ist ein Vorschlag aus dem Klimarat. Wir haben uns im Mobilitätsmasterplan vorgenommen, dieses Ziel bis 2030 zu erreichen. Wir sind auf einem guten Weg.

<p class="caption">Der Verbrenner soll verschwinden. In Österreich will man damit sogar etwas früher dran sein. <span class="media-container dcx_media_rtab" data-dcx_media_config="{}" data-dcx_media_type="rtab"> </span><span class="marker">APA</span></p>

Der Verbrenner soll verschwinden. In Österreich will man damit sogar etwas früher dran sein.  APA

Thema Windkraft. Da scheint sich beim heimischen Hauptversorger ein Umdenken anzubahnen. Man könne sich vorstellen, Windkraftanlagen zu betreiben. Aktuell gibt es die Prüfung für eine Windkraftanlage am Arlberg. Sehen Sie da Veränderungen auch im Westen?

Ich sehe Veränderungen, ja. Eine zentrale Lösung für die Energiekrise ist ja der Erneuerbaren-Ausbau. Je mehr wir einheimisch erneuerbar produzieren, desto weniger müssen wir fossil und aus Russland importieren. Da ist die Windkraft ein wichtiger Teil des Portfolios. Wenn die Windkraft voll produziert, tut das die Wasserkraft nicht und umgekehrt. Das ergänzt sich sehr gut. Wir haben im ganzen Land Windkraftpotenzial. Nicht überall gleich. Aber wir müssen unsere Potenziale nutzen. Ich freue mich schon auf die Eröffnung des ersen Vorarlberger Windkraftprojekts.

Grüne Energie durch Windkraft. In Vorarlberg gibt es zarte Anfänge für die Akzeptanz dieser Technologie. <span class="copyright">APA/dpa</span>
Grüne Energie durch Windkraft. In Vorarlberg gibt es zarte Anfänge für die Akzeptanz dieser Technologie. APA/dpa

Wo soll das sein ? Die liechtensteinische Gemeinde Gamprin will am Arlberg den Bau von zehn Windrädern prüfen.

Ich freue mich über jedes einzelne Windrad, jedes einzelne PV-Projekt, über jedes Biomassekraftwerk, über jedes innovative Projekt zur Wärmeversorgung der Landeshauptstadt. Jedes einzelne ist ein Schritt zu mehr Unabhängigkeit, ist ein Schritt in eine gute Zukunft. Wo das ist, ist eine Sache der Landesenergieraumplanung und der Gemeinden.

Wie stark sind da jetzt die Gemeinden eingebunden? In Vorarlberg hat sich der Gemeindeverband beklagt, beim Thema Windräder ignoriert zu werden?

Mit der Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfung haben wir eines geschafft. Nämlich, dass die Verfahren schneller werden. Das war ein langjähriger Wunsch der Bundesländer und aus der Wirtschaft. Gleichzeitig konnten wir dadurch den Naturschutz und die Partizipation stark halten. Wir brauchen den Eneuerbarenausbau, wir brauchen die Windkraft, wir brauchen die Projekte. Und wir müssen schauen, dass wir sie schneller genehmigen können. Andererseits muss man auch Blockaden aus dem Weg räumen. Da kann jetzt auch eine fehlende Energieraumplanung des Landes die Gemeinde nicht mehr daran hindern, dass sie Projekte entwickelt. Die Gemeinde spricht mit, und es braucht ihre Zustimmung dann im Verfahren.

Thema S 18. Ihre präferierte Entlastungsstraßenvariante 3.1 südlich von Lustenau statt der geplanten CP-Route im Norden steckt voller Hürden: Vertragsunvereinbarkeiten mit den ehemaligen Grundeigentümern, betroffene Naturschutzgebiete in der Schweiz, das entschiedene Nein von Schweizer Politikern, fehlende Verkehrswirksamkeit, der Wechsel von einer höhrerrangigen Straße zu einer niederrangigen mit Finanzierungsverpflichtungen des Landes. Halten Sie an so was wirklich fest?

Ja, natürlich. Man hat 60 Jahre lang Lösungen versprochen und scheiterte. Es wäre fahrlässig, das hohe Verfahrensrisiko der CP-Variante zu ignorieren und sich nicht nach Alternativlösungen umzusehen. Die S18 ist ja schon einmal im Verfahren gescheitert. Den Leuten zu sagen, es gibt keine Lösung – das sehe ich nicht als meine Aufgabe an. Deswegen die Alternativprüfung. Da ist jetzt eine mögliche Variante drin, die man in Teilen machen kann, die schneller ginge, die auch eine Entlastungswirkung hat, die weniger Bodenverbrauch hat, die günstiger ist. Und da werden jetzt die technischen Grundlagen erarbeitet. Von den kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen ganz abgesehen. Die sollten wir jedenfalls angehen.

Protest gegen die CP-Variante. Die Umweltaktivisten waren in den letzten Monaten und Jahren sehr aktiv. <span class="copyright">VN/Steurer</span>
Protest gegen die CP-Variante. Die Umweltaktivisten waren in den letzten Monaten und Jahren sehr aktiv. VN/Steurer

Trotzdem. Bei den Schweizern treffen Sie auf eine geschlossene Front der Ablehnung. Wie wollen Sie da so ein Projekt einfach weiterverfolgen, wohl wissend, dass Sie die Schweizer brauchen?

Die verkehrliche Situation betrifft einen Großraum, nicht nur eine Stadt. Deshalb waren die Schweizer Experten ja auch schon in die Evaluierung involviert. Ich habe selbst mit Kolleginnen und Kollegen und mit Albert Rösti, dem Minister, diskutiert. Und auch mit dem Schweizer Bundesamt für Straßen gab es Gespräche. Da ist ein enger Austausch geplant. Diese Variante wird jetzt gerade erarbeitet. Und wenn die Grundlagen am Tisch liegen, kann man in intensivere Gespräche gehen. Es eint uns eine Überzeugung: Nach 60 Jahren Diskussion braucht es eine handfeste Lösung für die Menschen.

Ministerin Gewessler war im Rahmen der Eröffnung der Pipeline am Sonntag gemeinsam mit Landesrat Daniel Zadra mit dem Fahrrad unterwegs. <span class="copyright">VN/Stiplovsek</span>
Ministerin Gewessler war im Rahmen der Eröffnung der Pipeline am Sonntag gemeinsam mit Landesrat Daniel Zadra mit dem Fahrrad unterwegs. VN/Stiplovsek