Eifersucht

Dagegen ist kein Kraut gewachsen.
Der Mann, von dem ich erzähle, besteht nur noch aus Eifersucht. Kann nichts anderes denken. Denkt nur: Wo ist sie, was macht sie? Und er geht los, sie zu suchen. Sie ist seine Freundin, eine feine Frau, die seine Eifersucht nicht verdient und ihm noch nie einen Anlass gegeben hat. Diesen Mann, der ihr heute ihr Seidenkleid, das ihre Figur so schön betont, zerschnitten hat, diesen Mann hat sie einmal geliebt, seinen Körper gern gestreichelt. Die Fetzen des Kleids hat er auf dem Bett verteilt. Die Absätze ihrer besten Schuhe hat er abgesägt, die Stumpen auf das Kopfkissen gelegt, man könnte meinen, sie bluten.
So, jetzt überlegt sie sich tatsächlich, ob sie die Anträge eines anderen, der ihr durchaus gefällt, annehmen soll. Sie hat ihm oft schon abgesagt. Aber jetzt! Ihr Ehemaliger – schon denkt sie so über ihn – ist selbst schuld. Verdächtigt sie ohne Grund. Nimmt sie ins Verhör. Ganz egal, wo sie sich befindet, im Bett, am Tisch, auf der Stiege, vor Leuten mitten auf der Straße. Sogar auf ihre Gedanken ist er eifersüchtig. Da hätte er allerdings Grund. Was sie denkt, wenn er das wüsste, er würde sie umbringen. Aber würde nicht jeder jeden umbringen, wenn jeder wüsste, was jeder denkt? Das ist ja das Glück: Hinter der Stirn ist alles erlaubt. Ich werde ausziehen, wenn er bei der Arbeit ist, denkt sie. Davonschleichen. Kein Abschiedsbrief. Sie hat sich schon ein kleines Zimmer gesucht. Sie überlegt sich sogar, ob sie zu dem Neuen ziehen soll. Ein guter Mann mit Manieren. Das muss allerdings überlegt sein. Noch weiß sie nicht, was das für einer ist. Manieren hin oder her. Und wenn ihn dann auch die Eifersucht packt? Erst will sie es mit sich allein versuchen.
„Was sie denkt, wenn er das wüsste, er würde sie umbringen.“
Aber wie es der Teufel will, hat ihr rasender Ehemaliger in Erfahrung gebracht, wo sie jetzt wohnt. Hat ein Messer auf ihren Fußabstreifer gelegt. Warnung!
Weiß der Himmel, wer ihm ihren Aufenthalt verraten hat. Er muss ihr nachspioniert haben. Sie hat es nicht gemerkt. Er muss ihr hinterher gegangen sein. Vielleicht mit einer Perücke, einem angeklebten Bart. Ihm ist alles zuzutrauen. Sie ruft ihre Mutter an, und obwohl das Verhältnis zu ihr schwierig ist und sie schon dreißig Jahre ist – zu alt, um zur Mutter zu ziehen – tut sie es doch. Sie versteckt sich in ihrem Mädchenzimmer.
Der Eifersüchtige klingelt und die Mutter öffnet die Tür. Er ist charmant. Fragt nur, wo sie ist. Will gar nicht eintreten. Hat der Mutter einen Strauß Tulpen mitgebracht.
Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.