Vom Wettbüro Schlag auf Schlag vors Gericht

Statt ein Fußballabend gab es eine Rauferei im Wettbüro. Erst der Sohn konnte einen der Streithähne zum Einlenken vor Gericht bringen.
Feldkirch Im März 2023 versammelten sich mehrere Sportinteressierte in einem Wettlokal in Hohenems, um ein türkisches Fußballspiel zu verfolgen. Einem 61-jährigen türkischstämmigen Gast war eine Gruppe seiner Landsleute jedoch zu laut. Kurzentschlossen ging er hinüber, um ihnen seine Unzufriedenheit auszudrücken. Glaubt man den Zeugen, wurde er dabei recht direkt. Vor allem ein 39-jähriger Dornbirner war recht empfänglich für die Provokationen des älteren Landsmanns. Einer seiner Begleiter bemühte sich sichtlich, seinen Freund auf Abstand zu halten.
Was danach geschah, hielten gleich vier Überwachungskameras fest: Der jüngere schlug dem Älteren mehrmals mit der Faust ins Gesicht. Dieser griff in die Tasche und zog einen Gegenstand, mit dem er seinen Angreifer und den verhinderten Friedensstifter am Kopf verletzte. Im Verlauf der Schlägerei kassierte der 61-jährige Arbeitslose noch einen Tritt in den Brustkorb und weitere Schläge, bevor die Streithähne sich trennen ließen.
Bemühte Diversion
Vier Monate später fanden sich die beiden vor dem Landesgericht wieder. Der Vorwurf lautete beim 39-jährigen Familienvater auf schwere Körperverletzung, beim 61-Jährigen auf Körperverletzung und gefährlicher Drohung. Womit er so gefährlich gedroht hat, spielte vor Gericht nur eine untergeordnete Rolle: Die Staatsanwaltschaft ging von einer Nagelfeile aus, der Verteidiger der erstangeklagten 39-Jährigen von einem Messer. Der Zweitangeklagte verwies auf seinen Schlüsselbund mit Kette.
Richter Christoph Stadler zeigte wenig Sympathie für die wiederkehrende Hinweise auf den kulturellen Hintergrund der beiden Streitparteien. Er hatte aber dennoch Verständnis, dass sich die Situation am Rande des Fußballspiels wohl hochgeschaukelt hatte. Wenn beide Parteien ihr Fehlverhalten einsehen würden, wäre damit eine Diversion statt einer Vorstrafe möglich.
Der Sohn als Gewissen
Der erstangeklagte 39-Jährige räumte ein, dass seine Reaktion nicht die optimale Entscheidung gewesen sein dürfte. Als aber der ältere Hohenemser sowohl seine Mutter als auch seine Schwester beleidigt habe, habe er reagieren müssen – gerade wenn dies von einem Türken komme, der wisse, was dies für einen Landsmann bedeute. Dies sei ihm aber eine Lehre gewesen, räumt er sein Mitverschulden an der Eskalation ein.
Sein Kontrahent hatte jedoch wenig Verständnis, seine Bereitschaft für eine Diversion zu zeigen. Der 61-Jährige wollte die Schuld lieber allein beim jüngeren Landsmann wissen und den Tathergang diskutieren. Angesichts der Videobeweise schob Richter Christoph Stadler dem rasch einen Riegel vor. Seine Mitschuld an der Eskalation im Wettbüro sah der Senior jedoch trotz aller Nachfragen des Richters und Dolmetschers erst nach einer Verhandlungsunterbrechung ein, in der ihm sein Sohn ins Gewissen reden musste. Selbst dann blieb er bei der Anerkennung seiner Rolle widerwillig, obwohl ihn der Richter an den Strafrahmen von bis zu einem Jahr Haft erinnerte.
Schlussendlich kam eine Diversion zustande. Der 39-jährige Handwerker zahlt 1100 Euro Strafe und 200 Euro Schadenersatz an seinen Kontrahenten. Dieser wiederum muss aufgrund seiner schwachen Finanzkraft nur 450 Euro Strafe und 50 Euro Schadenersatz leisten. Diese übernimmt der Sohn für den Vater, bevor dieser es sich anders überlegt und eine Fortsetzung des Verfahrens riskiert.