Reinhold Bilgeri

Kommentar

Reinhold Bilgeri

Taten

Vorarlberg / 20.07.2023 • 07:29 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Im April dieses Jahres hatte mir Frau Ammann eine besondere Lesung im Jüdischen Museum in Hohenems ans Herz gelegt. Das Thema war tatsächlich, wie viele Veranstaltungen, die Hanno Loewy dort organisiert, von aktueller Brisanz. Der junge Hohenemser Johannes Neumayer hatte in kürzester Zeit ein Buch verfasst („Im Krieg aus der Ferne“), in dem er über seine Gefühle und seine Haltung zum Ukraine Krieg bzw. seine persönlichen Konsequenzen daraus berichtet.

Solche Dinge sollte man auch mal erzählen, meint Frau Ammann, die Welt ist noch nicht verloren.“

Dabei weist er sich als engagierter Helfer und zupackender Initiator einer Hilfsorganisation aus, die Bemerkenswertes auf den Weg bringen konnte. Also kein Plauderer, der am Stammtisch über Windmühlen fabuliert, sondern nüchtern Pläne umsetzt, die der kriegsgebeutelten Bevölkerung Erleichterung brachten und bringen. Speziell nach der perfiden Sprengung des Kachowka Staudamms, der Zehntausenden Menschen das Leben endgültig zur Hölle machte. „Ich weiß“, sagt Neumayer, „in meinem Buch geht es um Krieg und die Leute nehmen natürlich lieber leichtere Lektüre mit an den Strand.“ Aber vielleicht inspiriert es auch einige zu mutigen Initiativen, um konkrete Hilfsprojekte in Gang zu setzen.

Persönlicher Einsatz

Ein jüngstes Beispiel für Zivilcourage und Hilfsbereitschaft der hiesigen Bevölkerung war für Neumayer eine neue Mutinjektion, seine Projekte weiterzuführen: „Nach dem Tod einer Lauteracher Zahnärztin haben deren Hinterbliebene dankenswerterweise entschieden, die vollständig eingerichtete Praxis an meinen Ukraine-Hilfsverein zu spenden“ erzählt er. Ein Emser Zahnarzt hatte sich mit ukrainischen Helferinnen zusammengetan „die ganze Praxis sortiert und fachgerecht verpackt. Am Ende sind noch tapfere Lehrlinge der I+R-Gruppe mit ihren Werkzeugen angerückt und haben sämtliche Möbel in tragbare Kleinteile zerlegt.“ Schließlich wurden fünf Tonnen Zahnarztmaterial (plus Kleider und Möbel) auf einen Lkw verladen und in der Ukraine wieder zusammengeschraubt. Ohne großes Aufsehen, aber höchst effizient. Solche Dinge sollte man auch mal erzählen, meint Frau Ammann, die Welt ist noch nicht verloren.

Musterhaft

Im Übrigen belegt eine neue Studie des Österreichischen Integrationsfonds eine erfreuliche Entwicklung: Von den ca. 80.000 Ukrainerinnen, die Österreich aufgenommen hat, sind fast die Hälfte schon musterhaft in den Arbeitsprozess integriert – kein Wunder, denn drei Viertel dieser Frauen haben einen höheren Bildungsabschluss, sind mehrsprachig, haben schnell Deutsch gelernt und 13 % würden, auch in Friedenszeiten, gerne bei uns bleiben. Ein hochkarätiger Zuzug, den viele Wirtschaftstreibende sehr begrüßen.

Es gibt also für uns Bad-News-Geschädigte auch Völkerverbindendes, in Zeiten wie diesen, sagt Frau Ammann und wünscht einen schönen Sommer.

Reinhold Bilgeri ist Musiker, Schriftsteller und Filmemacher, er lebt als freischaffender Künstler in Lochau.