Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Ende der Dorfkaiser

Vorarlberg / 05.09.2023 • 16:28 Uhr

Angelika Schwarzmann, Martin Schanung und Christian Loacker räumen ihre Posten. Somit suchen Alberschwende, Ludesch und Götzis neue Bürgermeister. Die Häufung der Rücktritte ist kein Zufall. Drei Jahre nach der Wahl im September 2020 kann der Gemeinderat, und somit die Parteien, die Nachfolge bestimmen. Eine direkte Nachwahl durch das Volk ist für die verbleibenden zwei Jahre nicht notwendig. Somit geht das Risiko einer politischen Umfärbung in Zeiten der Unzufriedenheit gegen Null. Zumindest bis Herbst 2025.

„Das Leiden der Bürgermeister darf trotz mancher Negativbeispiele nicht übersehen werden.

Die Begründungen der drei Ortschefs klingen rein persönlich, haben jedoch eine Gemeinsamkeit. Zehn bzw. drei Jahre im Amt haben zu viel Energie und Privatleben geraubt. Damit sind sie allerdings keine Einzelfälle. Die Politik ist ein menschenverachtendes Geschäft geworden. Nicht nur durch den rauen Ton untereinander, auch wegen der erwarteten Verfügbarkeit rund um die Uhr und die umfassende Delegation aller Probleme durch die Bevölkerung.

Die Zeiten der langjährigen Dorfkaiser sind vorbei. Niemand muss diesen eine Träne nachweinen. Die Vermischung von Amt und eigenen Interessen, Einheitslisten im Gemeinderat und eine ausgeprägte Untertanenkultur in der Bevölkerung sind Vergangenheit. Die Ansprüche an Integrität und Wissen von Spitzenpolitikern sind wesentlich höher, die Auswahl an politischen Alternativen größer geworden. Das ist eine positive Entwicklung im Sinne der Demokratie. Selbst der Österreichische Gemeindebund wird im Fall Riedl noch erkennen, dass sich die Grundstücksaffäre ihres derzeit amtsruhenden Chefs nicht aussitzen lässt.

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Das Leiden der Bürgermeister darf aber trotz mancher Negativbeispiele nicht übersehen werden. Vor allem Bürokratie und das gestiegene persönliche Haftungsrisiko vermiest den sonst für viele schönsten Politjob. Speziell Frauen beklagen die mangelnde soziale Absicherung. Die Unvereinbarkeit mit Familie ist inzwischen auch für junge Männer zur Hürde geworden. Hinzu kommt viel Neid für meist geringe Bezüge. Der einzige Lohn sind die noch relativ hohen Vertrauenswerte im Vergleich zu Politikern in Land, Bund oder gar EU.

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Die Amtsübergabe in den drei Gemeinden wird wohl problemlos glücken. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Politik immer größere Nachwuchsprobleme plagt. In Salzburg will jeder sechste Amtsinhaber bei den Wahlen nächstes Jahr nicht mehr antreten. Gleichzeitig wird es immer schwieriger überhaupt Kandidaten zu finden. Jetzt werden manche Politikverdrossene denken: Macht nix, wer braucht schon Politiker. Ja stimmt, auf manche Exemplare könnten wir getrost verzichten. Aber sicher nicht auf alle. Denn jemand wird immer die Regeln machen. Und je näher sie uns sind, desto besser können wir mitreden und mitentscheiden. Parteien, Medien und wir alle sind daher aufgerufen, uns Gedanken über die Rahmenbedingungen in der Politik zu machen. Sonst droht am Ende wirklich eine demokratiegefährdende Negativauswahl.

FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.