Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Zurück auf gesundem Grund & Boden

Vorarlberg / 05.01.2024 • 07:30 Uhr

Während Österreich fassungslos auf die Vorgänge rund um das Firmengeflecht des gestürzten Immobilienmagnaten René Benko starrt, geben auch in Vorarlberg die Nachrichten aus der geplatzten Immobilienblase Grund zur Sorge.

Durch geschenktes Geld in Form von Niedrigzinsen und dem immer höheren Preisniveau, das im Rheintal erzielt werden konnte, sind auch in Vorarlberg Immobilien vorwiegend zu Spekulationsobjekten geworden.

Heute regiert die Ernüchterung. Es ist nicht mehr automatisch gewinnbringend, neue Deals in Angriff zu nehmen. Deshalb werden groß angekündigte Projekte erst gar nicht umgesetzt. In der im ganzen Land berühmten Wirtshaus-Marktgemeinde Rankweil stehen etwa ehemalige Ikonen wie Bruchbuden in der Gegend: Das einst stolze Pilgergasthaus „Kreuz“ ist eine Ruine mit zerborstenen Scheiben und die zu drei Vierteln niedergerissene Bierlegende „Sternbräu“ eine traurige Baugrube. Solche aufgeschobenen Projekte gibt es in ganz Vorarlberg.

Die Erlöserwartungen sind höher als das, was am Markt derzeit zu erzielen ist. Neueste Zahlen des Makler-Netzwerks Remax weisen für Österreich sinkende Preise für Immobilien aus. Bei Häusern seien minus 5,9 Prozent erwartbar, auch Eigentumswohnungen dürften um 3,8 Prozent günstiger werden. Spitzenreiter? Vorarlberg. Hier erwartet Remax um 10,7 Prozent niedrigere Preise für Eigentumswohnungen.

Und das trifft die Mittelschicht noch härter als die professionellen Immo-Unternehmer. Konservative Politiker haben weiterhin erschwingliches Eigentum versprochen. Und spüren nun, dass das aktuell nicht geht. Nicht mit den Zinsen, den Kostensteigerungen, den Ansprüchen, den Voraussetzungen für Wohnbaukredite. Da ist es leicht, auf die strengen Kreditregeln der Finanzmarktaufsichtsbehörde zu schimpfen. Seien wir ehrlich: Ohne Eigenmittel, rein auf Pump, ein Haus zu bauen oder eine Wohnung zu kaufen – das hat sich auch früher nicht gespielt. Einen Hauskredit abbezahlt zu haben, war in der Mittelschicht eine Lebensleistung.

Es ist die Aufgabe der Finanzmarktbehörde (FMA), bei einem drohenden Systemkollaps Maßnahmen zu setzen, um diesem entgegenzuwirken. Der Verfassungsgerichtshof wollte sich wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg nicht einmal mit der Materie beschäftigen und bestätigte somit die Verfassungsmäßigkeit der strengen Kreditregeln. Klar, eine unangenehme Situation, auch für die Landespolitik. Denn auch in Vorarlberg sind auf Flughöhe von Benko Dinge passiert, die den Bürgern am Boden nicht mehr zu erklären sind.

Die Hypo ist eine an sich bodenständige Regionalbank in überwiegendem Landeseigentum, die nun erhebliche Risiken durch ein Kreditvolumen von offenbar über 200 Millionen Euro bei René Benkos gescheiterter Signa-Gruppe hat, wie im November bekannt wurde. Gleichzeitig darf sie aber aufgrund der strikten Auflagen jungen Menschen kein Angebot machen, um mit wenig Eigenmitteln ein Haus hinzustellen. Beim Wähler bleibt hängen: Benko bekommt alles, ich hingegen nichts. Diese Optik fürchtet natürlich auch der Landeshauptmann, weshalb mit mehr oder weniger geeigneten Initiativen versucht wurde, die 20-Prozent-Eigenmittel-Grenze abzufangen. Bisher ohne Erfolg.

Das Problem für uns alle ist, dass dieses zusammengebrochene Bauvolumen nun erst beim einst goldenen Handwerk ankommt. Das trifft die Mitte der Gesellschaft zu Beginn eines Wahljahrs.

Die Vorarlberger Immo-Träume, so wie wir sie kannten, sind geplatzt. Tatsächlich sind die Vorgänge eine Gegenbewegung zum „Höher, Schneller, Weiter“ der vergangenen Jahre.

Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.