Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Bessere Allianz

Vorarlberg / 20.01.2024 • 06:30 Uhr

Herbert Kickl hat beim freiheitlichen Neujahrstreffen eine aufrüttelnde Rede gehalten: Der Mann sieht sich als „Volkskanzler“ und alle anderen als „Volksverräter“. Einige davon setzt er sogar auf eine „Fahndungsliste“. Noch nie in der jüngeren Geschichte hat sich ein Vertreter einer größeren Partei in Österreich so unverhohlen gegen die Demokratie gestellt.
Seither wird mehr denn je von der Notwendigkeit gesprochen, eine „Anti-Kickl-Allianz“ zu schmieden. Eine Version davon lautet, dass Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und SPÖ-Chef Andreas Babler über ihren Schatten springen und nach der Nationalratswahl zusammen mit Grünen oder Neos eine Koalition bilden mögen. Gedacht wäre das als Notwehrakt zur Rettung der Demokratie.

„Hier liegt so vieles im Argen, dass man eine Allianz gegen Kickl vergessen kann.“

Die Vorstellung, dass Kickl eines Tages „Volkskanzler“ sein könnte, ist übel. Ein solcher maßt sich an, dass es in der Bevölkerung zu allem und jedem eine Meinung gibt. Das ist absurd, wäre ihm jedoch egal. Ihm geht es darum, sich durch einen behaupteten Wählerwillen zu ermächtigen, mit Hilfe willfähriger Abgeordneter durchzusetzen, was ihm gefällt. Menschenrechtswidriges oder was auch immer. Herauskommen würden zutiefst autoritäre Verhältnisse. Das kann man so einfach sagen, weil er Andersdenkende ja schon jetzt kriminalisiert („Volksverräter“, „Fahndungsliste“).

Ehe man zu einer „Anti-Kickl-Allianz“ schreitet, sollte man sich jedoch eine Frage stellen: Wie kann es sein, dass die Partei eines solchen Mannes trotz allem über einen solchen Zuspruch verfügt, dass sie bei einer Wahl zurzeit auf rund 30 Prozent kommen würde? Versuch einer Antwort: Es geht hier vor allem um eine Absage.
Es ist kein Zufall, dass sich der Berufspolitiker Kickl als Antipolitiker inszeniert und gegen „das System“ antritt. Er weiß, dass es in der Zweiten Republik noch nie so viele Menschen gegeben hat, denen danach ist. Die einerseits persönlich krisenbedingt aufgewühlt sind und die andererseits politisch enttäuscht sind: von Türkisen, die Anstand und Sauberkeit versprochen, aber Affären geliefert haben; oder von Roten, die sich jetzt wirklich all jenen zuwenden wollten, die es sich nicht richten können, die aber in Wien eine Kleingartenaffäre zu verantworten haben, bei der es darum geht, dass Genoss:innen spottbillig zu Eigentum gekommen sind; oder auch ausgerechnet von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der eigentlich ein Hüter der Demokratie sein sollte, aber so kein Gespür für Überparteilichkeit hat, dass ihm heute ganze 80 Prozent der Österreicher:innen misstrauen.

Hier liegt so vieles im Argen, dass man eine Allianz gegen Kickl vergessen kann, so lange es keine Allianz für eine bessere Politik gibt. Ohne eine solche wird der Kärntner halt in ein paar Jahren nach vorne stürmen, falls man ihn heuer daran hindert. Oder es kommt ein anderer. Zum Beispiel einer wie Dominik Wlazny, der so wirkt, als wolle er niemandem etwas Böses wünschen, bei dem es aber ausreicht, zu betonen, unverbraucht zu sein, keine Eigeninteressen zu verfolgen und Chancengerechtigkeit anzustreben. Damit gilt seine „Bierpartei“ (!) schon als ernstzunehmender Faktor. Das muss man sich einmal vorstellen. Es sagt unheimlich viel aus über den Zustand der Republik.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.