Reinhard Haller

Kommentar

Reinhard Haller

Die Schickimicktuellen

Vorarlberg / 08.02.2024 • 07:00 Uhr

Sie alle kennen den Ausdruck schickimicki. Mit diesem vom jiddischen Wort für „sich besaufen“ stammenden Kunstbegriff meint man Personen, die den Zeitgeist früher als das gewöhnliche Volk erfassen und immer up to date sind. Stets nach dem neuesten Schrei gekleidet, verkehren sie nur in absoluten In-Lokalen, machen auf die trendigste Art Urlaub und haben nur die steilsten Hobbys. Sie lassen kein wichtiges Event aus und sind auf jeder Prominentenparty zu finden. Schickimickis halten sich selbst für sehr wichtig und blenden mit staunenswerter Konsequenz aus, wie lächerlich sie auf die Umgebung manchmal wirken. Alles an ihnen ist einfach schickimicki.


Aber schickimicktuell? Dieser Begriff ist Ihnen ganz bestimmt noch nie begegnet. Sie werden ihn in der allwissenden Wikipedia nicht finden und vergeblich danach googeln. Denn schickimicktuell ist eine nach dem Wischiwaschi-Prinzip gebildete Zusammensetzung der Worte „schickimicki“ und „intellektuell“. Gemeint sind damit Personen, die mit ihrem Denken stets im Trend liegen und den Ton angeben, nicht nur im gesellschaftlichen und modischen, sondern auch im intellektuellen Bereich. Schickimicktuelle zählen sich zur geistigen Elite, erfassen die großen Zusammenhänge und können zu allem und jedem einen scharfsinnigen Kommentar abgeben. Ihre politische Einstellung ist die einzig richtige und die größte Meinung haben sie von der eigenen Meinung. Meist sprechen sie fließend zynisch und blicken auf die als Durchschnittsmenschen bezeichneten Normalos mitleidig herab. Zurückhaltung und Bescheidenheit haben in ihrer Vorstellungswelt wenig Platz und Selbstreflexion ist ihnen gänzlich fremd. All das ist garniert mit einem Schuss Arroganz und einer ordentliche Dosis Narzissmus. Schickimicktuelle, denen Schein wichtiger ist als Sein, sind nicht die wirklich Intellektuellen und Gebildeten, nicht die kritischen Geister und nicht die klugen Ratschläger, sondern jene, die sich selbst dafür halten. Schickimicktuelle sind keine gefährlichen, sondern eher lästige Zeitgenossen, die wir halb bewundern und zur andern Hälfte belächeln.

„Schickimicktuelle zählen sich zur geistigen Elite, erfassen die großen Zusammenhänge und können zu allem und jedem einen scharfsinnigen Kommentar abgeben.

Die Spötter werden nun sagen, der Kommentator habe wieder einmal ausgiebig an seiner Autobiografie gearbeitet. Dem ist kaum etwas entgegenzusetzen außer der Hinweis auf den Hochfasching: Wann denn sonst, wenn nicht in der Zeit der Narretei, soll es erlaubt sein, milden Spott über Menschen auszugießen, die sich ohnehin nicht betroffen fühlen? Das ist doch einfach schickimicktuell.

Univ.-Prof. Prim. Dr. Reinhard Haller ist Psychiater, Psychotherapeut

und früherer Chefarzt des Krankenhauses Maria Ebene.