„Ein fester Unsinn“
Frau Ammann hat mir gestern, durch ihr Handy scrollend, ein paar Fotos gezeigt, die gar nicht zum subra Ländle passen.
Wir sollten uns zusammenreißen, sagten die Bilder. Ein Supermarkt-Parkplatz, eine kleine Müllhalde, vom Winde verwehte Abfallreste treiben zwischen den Autos dahin, selbst die außen bereitgestellten Einkaufswägele sind noch mit Unrat gefüllt, als ob sich keiner mehr scheren würde. Gestörte Ordnung. Überall zu wenig Personal, die Chefs an der Arbeitsfront werden langsam müde, auch die Fischfrau am Markt, die über dreißig Jahre unermüdlich geschuftet hat, scheint mutlos zu werden – die Jungen wollen es nicht weiterführen, sagt sie. Auch Bäckereien haben mit Strom, Gas und sonstigen Produktionskosten und vergeblicher Lehrlingssuche zu kämpfen. Was wird bloß werden, wenn viele der jetzigen fleißigen Kleinunternehmer das Handtuch werfen und nichts mehr nachkommt?
Es mögen kleine Zeichen sein, sagt Frau Ammann, aber sie zeugen doch von einer gewissen Lustlosigkeit der Folge-Generationen und sie machen uns erst klar, wie kostbar die Altvorderen für das Gedeihen unseres Wohlstands waren. Keine Frage, es gibt auch neue brillante Start-ups und mutige junge Unternehmer, aber der Trend zu einer gewissen Lethargie in einigen Ecken unserer Gesellschaft ist unverkennbar. Nervöse Zeiten.
Es mögen kleine Zeichen sein, sagt Frau Ammann, aber sie zeugen doch von einer gewissen Lustlosigkeit.
Die Faschingshetz hat sicher vielen gut getan. Ab Aschermittwoch wird wieder angepackt. Demos für Demokratie und Menschenrechte sind angekündigt, bessere Gründe gibt es derzeit nicht, auf die Straße zu gehen. Wir sind ein bisschen im Verzug, aber noch rechtzeitig wach geworden. Die Wahlen im Herbst werden in dieser angespannten Situation wohl auch ein Vernunfttest werden.
Wollen wir aus Wut (schlechtes Motiv) jemanden wählen, der den Klimawandel leugnet, mit dem Öxit flirtet und Österreich zur Festung machen will? Wir würden ärmer werden, Leute!!..einer Ächtung ausgesetzt und hätten nicht ein einziges Problem gelöst. „Einen festen Unsinn“ nennt Andreas Unterberger, ehemaliger „Presse“-Chef und inzwischen rechtslastiger Blogger, „ein solches Modell, von dem Kickl träumt – das ginge maximal nach dem Modell Nordkorea, indem sich Österreich mit einem Eisernen Vorhang rundum zu schützen versucht. Das wäre aber ganz eindeutig nur mit einem Austritt aus der EU vereinbar und mit einem Absinken des Wohlstandsniveaus Richtung jenes der Nordkoreaner, denen in ihrem abgeschlossenen Land bisweilen nichts anderes übrigbleibt, als Gras zu fressen.“ Wie gesagt, das sagt kein Linker FPÖ-Feind sondern ein Rechtsaußen, der auch nachdenkt. Was gibt es denn gegen geregelte Einwanderung einzuwenden angesichts der 227.000 Pflegekräfte, die bis 2050 fehlen werden? Wir sollten der Vernunft folgen, bittet Frau Ammann, nicht den Rattenfängern, deren pöbelnde Sprache auch in der bürgerlichen Mitte nichts verloren haben sollte. Böse Zeiten kommen oft auf Zehenspitzen, manchmal mit Ansage. Wir sollten auf der Hut sein.
Reinhold Bilgeri
reinhold.bilgeri@vn.at
Reinhold Bilgeri ist Musiker, Schriftsteller und Filmemacher, er lebt als freischaffender Künstler in Lochau.
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