Wenn aus Liebe Hass wird

Stalking-Terror: Palette reicht von Belästigung bis zu brutalem Mord
Feldkirch Zwei Jahre und dreieinhalb Monate Haft für einen Wiederholungsstalker. Das ist zumindest das erstinstanzliche Urteil, das in der Vorwoche über einen Mann, der zum vierten Mal seine Ex-Frau in Angst und Schrecken versetzte, verhängt wurde. Doch nicht immer verschwindet der Täter für längere Zeit im Gefängnis und nicht immer können sich die Opfer in Sicherheit wiegen.

„Stalking“ oder „Beharrliche Verfolgung“, wie es im Strafgesetzbuch heißt, hat unterschiedliche Gesichter. Damit dieses Bedrängen überhaupt strafbar ist, muss es eine gewisse Intensität aufweisen. § 107 a StGB spricht von „Unzumutbar die Lebensführung beeinträchtigen“. Die Kanzlei von Eva Müller und Surena Ettefagh hat viel Erfahrung mit derartigen Fällen. „Das Muster ist fast immer dasselbe“, sagt Rechtsanwalt Surena Ettefagh. „Mann liebt Frau, die Beziehung zerbricht, er versucht sie mit Geschenken, Entschuldigungen und dergleichen zurückzugewinnen. Er scheitert. Er versucht ihr Angst zu machen, eine Reihe von Delikten wie gefährliche Drohung, Nötigung, Körperverletzung werden verwirklicht. Schlussendlich eskaliert es, wenn der Täter entscheidet: ‚Wenn ich sie nicht haben kann, soll sie auch kein anderer haben.‘“ Dann ist eine Tötung nicht mehr weit entfernt. Rache wird häufig zum Motiv für Mord. Weibliche Stalkerinnen gibt es übrigens auch, aber „. . . das ist ungefähr so häufig, wie weiße Krähen“, fasst Ettefagh zusammen.

Traurige Erfahrungen
Auch Eva Müller, die als Rechtsanwältin bereits weit über 100 Stalkingopfer vertreten hat, weiß um die drohende Gefahr. Vor 24 Jahren wartete sie auf eine Mandantin. Die 41-jährige Feldkircherin war dabei, ihr Leben in geordnete Bahnen zu bringen und ihre finanzielle Situation zu klären, als sie ermordet wurde. „Sie hatte mir gegenüber zwar angegeben, dass sie Angst vor ihrem Gatten hat, hat aber nicht mit derartiger Gewalt gerechnet“, erinnert sich Müller. Als die sonst zuverlässige Klientin nicht zum Gerichtstermin erschien, war klar, dass etwas nicht stimmt. Zu diesem Zeitpunkt lag die Frau bereits tot in der Nofler Au. Ihr Mann wurde wegen Mordes zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Mordmotiv: Er wollte das gemeinsam gebaute Haus nicht verlieren. „Besonders gefährlich wird es, wenn es um hochemotionale Themen wie Kinder oder um Vermögen geht“, weiß Müller.
Grundsätzlich zwei Formen

„Zum einen gibt es Stalking nach Beziehung, Partnerschaft oder Ehe. Zum anderen gibt es gerade bei Menschen, die wenig Sozialkontakte haben, die Situation, dass sie nach ein paar harmlosen Sätzen glauben, es handle sich um ‚die große Liebe‘“, erzählt Müller von Fällen, die sie Anwältin behandelt. „Der Stalker lebt in seiner eigenen Welt, redet sich Gefühle ein und versucht verzweifelt, das Opfer immer wieder zu kontaktieren. Das macht natürlich Angst, ist unheimlich und extrem lästig.”
Wenn aus Liebe Hass wird
Drei Fragen, drei Antworten: Anwältin Eva Müller
Welche Lösung gibt es im Extremfall für die Opfer, schützt sie der Staat?
Eva Müller Natürlich gibt es diverse Angebote von Hilfe. Im schlimmsten Fall müsste die Frau wegziehen, in ein anderes Bundesland, ihre Identität ändern und keinen Kontakt zu Verwandten und Freunden pflegen. Aber das will natürlich niemand.
Wenn ein Mann wegen Gewalt und Drohungen inhaftiert wird, besteht die Gefahr, dass er sich nach der Haftstrafe an der Frau rächt?
Eva Müller Eher nein, zumindest habe ich keine solche Erfahrung gemacht. Die räumliche Distanz, der lange Zeitraum, das alles „entschärft“ den Konflikt meistens.
Ist Ihnen ein Fall als „besonders“ in Erinnerung?
Eva Müller Ein Stalkingopfer, das nicht nur vom Ex-Partner ständig beobachtet wurde, sondern auch von dessen Kollegen. Die Frau wurde sozusagen „im Schichtbetrieb“ überwacht.