Online -Sucht

Frau Ammann hat mich wiedermal auf ein Thema verwiesen , das in wissenschaftlichen Studien immer größere Aufmerksamkeit findet. Problematische Entwicklungen der Eltern / Kind Beziehungen im Zusammenhang mit dem Umgang mit Kommunikations Geräten. Unsere digitalen Errungenschaften können durchaus Nebel in unserer Beziehungsfähigkeit hinterlassen, sobald wir maßlos werden. Das zeigen neueste Untersuchungen.
Kennen Sie das Bild? Eine Mutter mit Kinderwagen, an der Lenkstange wackelt ein schicker Handyhalter, Mutters Blick vorwiegend am Display , statt beim Baby. Eine Momentaufnahme nur, aber eine , die die Befindlichkeiten beider Seiten auf Dauer empfindlich stören kann. Hirnforscher, Kinderärzte und Psychologen sind sich längst einig , wie wichtig Intensiver Augenkontakt mit den Eltern für eine vertrauensvolle Entwicklung ist. Wenn sich zwischen die Blickkontakte digitale Gadgets schieben ,kann das zu Problemen führen , die sich in verschiedensten Stresssymptomen niederschlagen . Der Informatiker Cal Newport nennt sein neuestes Buch bezeichnenderweise: „ Digitaler Minimalismus – Besser leben mit weniger Technologie“ und kommt zur Schlußfolgerung , „daß wir schlicht verlernt hätten ohne digitale Ablenkung zu leben. Jedes Zeitfenster, jede Minute ohne Beschäftigung überbrücken wir mit Tippen, Scrollen und Liken.“
Derartige Suchtstrukturen sind lange schon Thema in den Wartezimmern von Psychiatern. Keiner der kritischen Geister würde sich allerdings erlauben , die „zahlreichen Vorteile und Annehmlichkeiten von digitalen Geräten“ in den Boden zu verdammen, denn völlige Abstinenz sei „weder wünschenswert noch realistisch.“
Aber die Gefahren der Online Sucht sind nun mal da und müssen in den Fokus. Dabei ist es gar nicht so leicht eine klare Grenze zu ziehen zwischen noch normalem Gebrauch und wirklicher Sucht. Der Medienpsychologe Gregor Waller zieht Vergleiche zu den Kriterien, die auch bei Alkohol und Drogen angelegt werden: „Starker Wunsch zum Konsum, Kontrollverlust, Steigerung der Dosis, Vernachlässigung von Familie, Freunden Hobbies usw.“
Bis am Ende alle Versuche scheitern den Konsum einzuschränken.
Völlige Abstinenz wäre natürlich genauso dumm wie Essensverweigerung ,aber die Wissenschaft empfiehlt durchaus erfolgsträchtige Disziplinierungsmaßnahmen.
Frau Ammann hatte schon vor Jahren Angst, daß eines Tages unsere Liebesfähigkeit gestört werden könnte, wenn wir dauernd in irgendwelche Geräte glotzen. Babies spüren den Blick-Entzug am allerempfindlichsten. A bizzele mehr Selbstdisziplin und Vorbildwirkung würde schon reichen, sagt die Wissenschaft .
„Entwöhnungskuren“ basieren ja ähnlich wie bei anderen Süchten auf Regeln, die man zuerst sich selbst und dann den Kindern auferlegt. Das müßte eigentlich funktionieren, wenn man die Power aus der Liebe und einer lebenslänglichen Verantwortung für die Kinder schöpft, sagt Frau Ammann.
Reinhold Bilgeri
reinhold.bilgeri@vn.at
Reinhold Bilgeri ist Musiker, Schriftsteller und Filmemacher, er lebt als freischaffender Künstler in Lochau.