Zusammen ist alles besser als allein
Gerade habe ich den tausenden Bahnkilometern, die ich auch diesmal im Laufe der Lesetour abgefahren bin, noch ein paar hinzugefügt. Es ist so, bei Lesetouren: Der Verlag organisiert die Anfragen, wir legen uns eine möglichst vernünftige Tour zurecht, es gibt dann Verträge, in denen steht, wann ich wo erscheinen muss und wo ich übernachte, und dann buche ich mir die Zugtickets. Manchmal komme ich an Orte, an denen ich schon war und wo ich die Leute schon kenne. Aber sehr oft komme ich zu völlig Fremden an Orte, von denen ich noch nie gehört habe, in Städten oder Dörfern, die ich mitunter erst googeln musste. Das ist spannend, aber nicht ganz einfach für so eine leutscheue Person wie mich. Aber nach vielen überraschenden Begegnungen habe ich gelernt: Es ist meist unglaublich lohnend.
„Das ist spannend, aber nicht ganz einfach für so eine leutscheue Person wie mich.“
Gerade komme ich von einer Matinee-Lesung aus der Schweiz. Um zehn Uhr irrte ich verloren durch eine idyllische Altstadt: kein Handy-Wlan, kein Google-Maps, keine Orientierung. Zur Rettung eilte die bis dahin nur vom vom Mailen bekannten Moderatorin herbei, von der ich mich dreieinhalb Stunden später mit einer herzlichen Umarmung wie von einer Freundin verabschiedete. Schön ist das.
Ein paar Tage zuvor war ich zu einer Lesung eingeladen, im Bugo in Göfis, einem Dorf, in dem ich in meiner Kindheit ein paarmal gewesen bin. Ich kam, wie immer, ohne große Erwartungen und ging völlig begeistert, denn das Bugo – eine Bücherei samt einem konsumationszwangsfreien Café – ist viel mehr als das. Es ist ein wirklicher Ort der Begegnung, wo engagierte Leute sich mit vielen tollen Ideen für ein soziales Miteinander einsetzen: von dem alle profitieren, weil zusammen alles einfacher und besser ist als allein. Im Bugo kann man Bücher und Zeitschriften nicht nur ausleihen, sondern auch so lange man will auch direkt dort im Café lesen, es gibt einen Garten, eine Spielplatz, eine Eisdiele, vor der sommers Familien zusammenkommen. Es finden jede Menge spannender Kulturveranstaltungen statt. Und es gibt einen kleinen Laden, der von den Dorfbewohnerinnen mit liebevoll handgemachten Produkten bestückt wird, Handarbeiten, Säfte, Marmeladen, Honig und Wein.
Eine ältere Pensionistin aus dem Unterfeld sammle, so erzählte es Büchereileiter Rudi Malin, jedes Jahr die Nüsse unter ihrem Nussbaum ein, verpacke sie liebevoll in Zellophansäckchen und fahre dann mit dem Bus zum Bugo, um sie selber abzuliefern, sich ein bisschen ins Café zu setzen und sich darüber zu freuen, dass andere sich über ihre Nüsse freuen. So funktioniert Gemeinschaft.
Was für ein Glück, dass es solche Menschen und viele solche Orte gibt, nicht nur im Ländle: Sie halten meinen Glauben an die Menschheit intakt.
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
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