Trinkwasserspeicher für Millionen: Wie Hessen ans Bodenseewasser will

Vorarlberg / 02.07.2024 • 15:12 Uhr
Bodenseeserien Sipplingen Trinkwasser
Hier wird das Trinkwasser aufbereitet. Bodensee-Wasserversorgung

Nächster Teil der Bodenseeserie: Wasser wird in Zukunft immer wichtiger. Der Bodensee dient dabei als natürlicher Speicher. Wie das Wasser aus dem Bodensee bis an die Grenze zu Hessen kommt.

Text: Falk Böckheler, Schwäbische Zeitung

Sipplingen Den Boden des drei Meter tiefen Quellbeckens sieht man klar. Aus dem dunklen Loch in der Mitte sprudeln mit enormer Kraft bis zu 9000 Liter pro Sekunde. Das fünf Grad kalte Wasser kühlt den gesamten Raum ab. An den Seiten des 14 Meter breiten Pools schwappt das Wasser wieder in die Dunkelheit. In etwas mehr als einem Tag wird ein Teil Baden-Württembergs Landeshauptstadt Stuttgart erreichen.

Die Wassermassen drücken sich ununterbrochen in das Becken. Es hört sich an, wie neben einem riesigen Wasserfall. Das Wasser kommt aus 60 Metern Tiefe. Es wird auf eine Anhöhe auf 310 Meter gepumpt, auf der die Aufbereitungsanlage steht.

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Direkt aus dem Bodensee könne man es schon verwenden. „Eigentlich hätte das Wasser hier schon Trinkwasserqualität“, sagt Andrea Lohr von den Wasserwerken in Sipplingen. Doch für eine noch bessere Qualität wird es in mehreren Schritten gereinigt.

Seit knapp 70 Jahren ist die Bodensee-Wasserversorgung in Sipplingen das größte Fernwasserwerk Deutschlands. Sie versorgt rund vier Millionen Menschen in Baden-Württemberg mit Trinkwasser. Doch nicht nur hier wird der Bodensee angezapft. An insgesamt 13 Stellen wird ihm Wasser entnommen.

Bodenseeserien Sipplingen Trinkwasser
Die Aufbereitung in Sipplingen. Bodensee-Wasserversorgung

Sieben dieser Entnahmestellen liegen in der Schweiz. Die meisten davon versorgen nur die nahegelegenen Städte mit Trinkwasser. Nur die zwei Entnahmestellen für St. Gallen pumpen das Bodenseewasser tiefer in die Schweiz. In Österreich trinkt man kein Wasser aus dem Bodensee. Die zahlreichen Flüsse und Seen reichen aus.

Für den nächsten Schritt fließt das Wasser in zwölf Siebtrommeln. Sie sind sternförmig zum Quellbecken angelegt. Mit Mikrosieben werden hier alle Partikel aus dem Wasser gefiltert, die größer sind als 15 Mikrometer – also 15 Tausendstel Millimeter. Zum Vergleich: Ein Haar ist zwischen 50 und 120 Mikrometer dick.

Bodensee KArte
BWie das Trinkwasser verteilt wird. Bodensee-Wasserversorgung

Rund 80 Prozent der Verunreinigungen könne so herausgefiltert werden. Ein Problem: die Quagga-Muschel. Ansiedlungen der invasiven Art bilden schwarze Flächen auf dem Beckenboden. In den Wasserwerken Sipplingen habe man sechs Menschen anstellen müssen, die sich mit dem „Problem Quagga“ beschäftigen, sagt Lohr. Die Rohre müssen öfter gereinigt, die Filter schneller ausgetauscht werden.

Das gefilterte Wasser wird dann in großen Tanks entkeimt. Dafür wird Ozon hinzugefügt. Noch vorhandene Mikroorganismen werden so abgetötet. Dafür bleibt das Wasser für knapp drei Stunden in den Tanks, während sich das Ozon wieder abbaue, sagt Lohr.

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Die Anlage. Bodensee-Wasserversorgung

2022 lag der Jahresumsatz der Bodensee-Wasserversorgung nach eigenen Abgaben bei 88,6 Millionen Euro. Doch in Deutschland und der Schweiz dürfen die Wasserwerke keinen Gewinn machen, sagt Susanne Geywitz. Sie ist Leiterin der Qualitätssicherung der St. Gallener Stadtwerke.

Die Kosten trägt zum Teil der Endverbraucher durch seinen Konsum. Zahlen des Landes Baden-Württemberg zeigen, dass der Durchschnittsverbraucher im eigenen Haushalt 119 Liter Trinkwasser pro Tag benötigt. In der Schweiz liegt der Wert laut dem Fachverband für Wasser, Gas und Wärme (SVGW) bei 142 Litern.

Auch die Bayerische Landesregierung will dem Bodensee jetzt Wasser entnehmen. Sie plant, den trockenen Norden hinter Nürnberg mit dem Seewasser zu versorgen. Das Netz soll sich, ähnlich wie in Baden-Württemberg, bis an den äußersten Rand des Bundeslandes erstrecken. Bei so vielen Wasserwerken und den enormen Entnahmemengen stellt sich die Frage, ob der See genug Wasser hat.

Bodenseeserien Sipplingen Trinkwasser
Bodensee-Wasserversorgung

Können wir den Bodensee leertrinken? „Das schaffen wir nie und nimmer“, sagt Susanne Geywitz. Wenn alle Entnahmestellen gleichzeitig mit der Durchschnittsleistung pumpen, senke das den Bodensee um 0,9 Millimeter pro Tag. Diese benötigte Wassermenge liefere allein der Zufluss über den Alpenrhein in einer guten halben Stunde.

Nach der Ozonanlage wird es ruhig. In einem leichten Bogen reihen sich 27 Becken in zwei Hallen aneinander. Auf den insgesamt rund 3000 Quadratmetern wird das Wasser zum letzten Mal gefiltert. Auf der Wasseroberfläche schwimmt vereinzelt Schaum – die Überreste der abgetöteten Mikroorganismen. Sie werden im nächsten Schritt entfernt.

Bodenseeserien Sipplingen Trinkwasser
Die Speicher. Bodensee-Wasserversorgung

Am Grund der Becken sind einen Meter dicke Filterschichten. Dort sickert das Wasser nach unten weg. Einmal pro Woche werden die Schichten gereinigt.

Ist genug Wasser da, wird es in einem der 29 Wasserbehälter gespeichert. So kann sichergestellt werden, dass immer genug Wasser für die rund vier Millionen Menschen in Baden-Württemberg vorhanden ist. Bei einer durchschnittlichen Wasserabgabe reichen die Speicher für knapp zwei Tage.

Bevor das Wasser in die Haushalte kommt, wird ihm noch eine geringe Menge Chlor zugefügt. So kann auf dem Weg verhindert werden, dass sich Keime bilden.

Bodenseeserien Sipplingen Trinkwasser
Die Speicher. Bodensee-Wasserversorgung

Über rund 1700 Kilometer Rohrleitungen verteilt sich das aufbereitete Wasser dann über Baden-Württemberg. Heute trinken Menschen an der Grenze zu Hessen Bodenseewasser. Bis dort benötige das Wasser eine knappe Woche.

Für die Verteilung des Wassers wird dann kaum noch Energie benötigt. Durch die hohe Lage des Wasserwerks kann das Wasser über die Schwäbische Alb bis nach Ludwigsburg quasi bergab fließen. So können fast die Hälfte der Menschen in Baden-Württemberg Wasser aus dem größten Süßwassersee Deutschlands trinken.

Darum dreht sich unsere Serie „Wem gehört der Bodensee?“. Entstanden ist sie grenzübergreifend wie der See, seine Schönheit und seine Probleme, als Coproduktion von Vorarlberger Nachrichten, St. Galler Tagblatt, Thurgauer Zeitung und Schwäbischer Zeitung.

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