„Ein Stück Stickereigeschichte geht verloren“

Vorarlberg / 20.07.2024 • 10:25 Uhr
"Ernessa" Lustenau
Dominik Erne zeigt die Vielzahl an Stickereien, die sich bei Ernessa befinden.

Das Stickereigeschäft Ernessa in Lustenau muss aufhören. Trotz intensiver Suche ist noch kein Käufer für das bestehende Stoff- und Stickereilager in Sicht.

Lustenau „Das Herz tut weh, wenn ich sehe, dass Stickereien aus über 60 Jahren einfach so entsorgt werden müssen“, beginnt Dominik Erne, Inhaber des Lustenauer Stickereigeschäftes Ernessa aus der Morgenstraße zu erzählen. Fehlende Großaufträge und nicht kalkulierbare Aufträge zwingen ihn nun die Reißleine zu ziehen. „Es besteht schon Interesse an den Stickereien, doch fehlen große und regelmäßige Kunden, damit wir unser Geschäft mit den unzähligen Stickereien aufrechterhalten können“, so Erne.

"Ernessa" Lustenau
Noch heute sind im Geschäft in der Morgenstraße wahre Schätze an Stoffen und Stickereien zu finden.

Sein Vater Gerhard Erne hat Ernessa 1989 eröffnet und bereits Stickereien von seinem Vater in das Lager übernommen. „Hier befindet sich ein Großteil der Stickereigeschichte“, so Erne. Er erinnert sich an die Geschäfte mit Afrika in den 60er und 70er Jahren, danach folgten die Braut- und Trachtenmoden.

"Ernessa" Lustenau
Dominik Erne des Stickereigeschäftes “Ernessa” muss aufhören. Er versucht mit einem Lagerverkauf noch so viel Stoff und Spitzerei wie möglich an die Bevölkerung zu bringen.

Ein großer Abnehmer der in Lustenau produzierten Stickereien war die gesamte Unterwäschebranche. Noch heute finden sich im Geschäftsraum in der Morgenstraße und im Lager in der Holzstraße unzählige textile Schätze, die erahnen lassen, welch großen Stellenwert die Stickerei einst in der Gesellschaft hatte.

"Ernessa" Lustenau
Das Stickereigeschäft “Ernessa” muss für immer schließen.

Im Laufe der Zeit hat sich der Stickereimarkt immer wieder an die gesellschaftlichen Veränderungen angepasst. „Früher wurden alle Stickereien von Lustenauer Firmen bezogen. Wir waren zum Beispiel mit Stickereien im Playboy vertreten“, erzählt er schmunzelnd. Nachdem der Unterwäschemarkt eingebrochen war, versuchte der Geschäftsführer an die Theaterbranche anzuknüpfen. „Das gelang eine Zeit lang. Wir belieferten die Kleidermacher für Circe de Soleil, die TV-Show Dancing Stars und waren sogar in der National Opera of Australia mit unseren Stickereien und Stoffen vertreten.“ Auch heute noch erhält er von überall aus der Welt kleinere Aufträge. „Das reicht allerdings nicht. Es fehlen konstante Aufträge, damit wir finanziell überleben können.“

"Ernessa" Lustenau
Die Stickerbücher von Ernessa zeigen die liebevollen Stickereimuster.

Um die rund fünf Tonnen Stoffe und Stickereien sowie 500.000 Meter mit Spitz und Stickerei an die Bevölkerung zu bringen, veranstaltet Ernessa dieses Wochenende einen Lagerverkauf in der Holzstraße vor dem FC Stadion. „Für 25 Euro kann man sich einen Sack vollfüllen. Alles muss raus“, erzählt er. Dominik Erne versucht, wenigstens noch einige Schätze an die Menschen zu bringen. „Viele Stickereien werden heute nicht mehr benötigt. Diese werden entsorgt werden müssen. Ein Stück Stickereigeschichte geht verloren.“

"Ernessa" Lustenau
Erne zeigt, wie sich die Stickerei entwickelt hat und welche Stationen sie durchlaufen ist.

Er findet es sehr schade, dass er schließen muss, zumal die Stickerei in der Bevölkerung noch gut ankommt. Doch abgewanderte Großfirmen und der Preisdruck aus Asien machen ihm das Überleben nicht möglich. Wer sich noch ein Stück Lustenauer Geschichte sichern möchte, kann dies beim Straßenverkauf bei dem Lager „Brodissima“ in der Holzstraße am Freitag, 19. Juli und Samstag, 20. Juli tun. Bvs